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Commerzialbank Mattersburg: Keine Amtshaftung gegenüber geschädigten Bankkunden

04.01.2022

Bestimmung zu AMS-Regionalbeirat im Ausländerbeschäftigungsgesetz aufgehoben

Einige Entscheidungen aus den Beratungen des VfGH im Dezember wurden heute den Verfahrensparteien zugestellt. 

Regulierung und Aufsicht der Banken zielt auf den Schutz der Funktion des Finanzmarktes, nicht einzelner Anleger ab: keine Amtshaftung

Die Regelung, wonach der Bund nicht für Schäden haftet, die Kunden einer insolventen Bank erlitten haben, ist verfassungskonform. Rund 30 Kunden der Commerzialbank Mattersburg haben nach der Insolvenz der Bank beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien im Vorjahr Amtshaftungsklagen gegen den Bund eingebracht und im Zuge dieser Verfahren Anträge auf Aufhebung des § 3 Abs. 1 zweiter Satz Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz (FMABG) wegen Verfassungswidrigkeit eingebracht. Der VfGH hat die Anträge mit dem heute zugestellten Erkenntnis vom 16. Dezember 2021 abgewiesen.  

Die angefochtene, im Jahr 2008 eingeführte Bestimmung sieht vor, dass der Bund nur für solche Schäden haftet, welche die FMA den von ihr geprüften Unternehmen (also z.B. Kreditinstituten) rechtswidrig und schuldhaft zugefügt hat. Daraus folgt, dass Bankkunden keine Amtshaftung auf Grund von Handlungen oder Unterlassungen der FMA beanspruchen können.  

Dem VfGH zufolge hat der Gesetzgeber mit der angefochtenen Regelung die zuvor umstrittene Frage geklärt, ob das Banken- und sonstige Finanzmarktaufsichtsrecht auch dem amtshaftungsrechtlichen Schutz der einzelnen Gläubiger dient oder lediglich öffentliche Interessen verfolgt. Nach der angefochtenen Bestimmung dient das Aufsichtsrecht dem Schutz der Gläubiger (An- und Einleger) in ihrer Gesamtheit; die An- und Einleger sollen Vertrauen in das ordnungsgemäße Funktionieren des Finanzmarktes haben (Funktionsschutz). Das Finanzmarktaufsichtsrecht zielt aber nicht darauf ab, die einzelnen An- und Einleger im Wege der Amtshaftung schadenersatzrechtlich vor Aufsichtsfehlern zu schützen.  

Die mit der angefochtenen Bestimmung – vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Finanzkrise des Jahres 2008 – getroffene Entscheidung des Gesetzgebers, dass der Steuerzahler nicht im Wege der Amtshaftung für die wirtschaftlichen Folgen einer Bankeninsolvenz aufkommen soll, verletzt den Gleichheitsgrundsatz nicht. Es ist daher nicht verfassungswidrig, dass bei einer (behauptetermaßen) rechtswidrigen Ausübung der Aufsicht nur Banken bzw. Unternehmen einen Anspruch auf Amtshaftung gegenüber dem Bund haben, die dieser Aufsicht auch unterliegen.

(G 224/2021 u.a. Zlen.) 

Derzeitige Mitwirkung des AMS-Regionalbeirates bei Beschäftigungsbewilligungen verfassungswidrig 

Der VfGH hat von Amts wegen eine Bestimmung im Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) betreffend die Entscheidungsfindung im Arbeitsmarktservice (AMS) geprüft und mit einer ebenfalls heute zugestellten Entscheidung vom 14. Dezember 2021 als verfassungswidrig aufgehoben. Nach § 4 Abs. 3 AuslBG werden Beschäftigungsbewilligungen bei Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen – abgesehen von Sonderfällen – nur erteilt, wenn der Regionalbeirat des Arbeitsmarktservice (AMS) die Erteilung einhellig befürwortet.  

Die Regionalbeiräte sind bei jeder regionalen Geschäftsstelle des AMS eingerichtet und bestehen aus dem Leiter der jeweiligen Geschäftsstelle und Vertretern der Sozialpartner, nämlich vier Mitgliedern, die auf Vorschlag der Wirtschaftskammer des jeweiligen Landes, der Industriellenvereinigung, der Arbeiterkammer des jeweiligen Landes und des Österreichischen Gewerkschaftsbundes bestellt werden.  

Über Anträge auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung entscheidet der Leiter der regionalen Geschäftsstelle des AMS. Diese Entscheidung ist jedoch grundsätzlich an die Befürwortung und damit an die Zustimmung des Regionalbeirates, der selbst keine Behörde ist, gebunden. Dies verstößt, so der VfGH, gegen das Rechtsstaatsprinzip, weil dadurch der zuständigen Behörde die Verantwortung für eine eigenständige Beurteilung entzogen wird, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen vorliegen. Diese Bindung besteht auch gegenüber dem im Instanzenzug zuständigen Bundesverwaltungsgericht.

(G 232/2021) 

Das von Amts wegen eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren des VfGH war von der Beschwerde einer Spenglerei aus dem Burgenland gegen eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ausgegangen. Auch diese Entscheidung wurde – mit Erkenntnis des VfGH vom 15. Dezember 2021 – aufgehoben. Im fortgesetzten Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht über den Bewilligungsantrag neu zu entscheiden. Da verfassungswidrige Bestimmungen im jeweiligen Anlassfall ab sofort nicht mehr anzuwenden sind, ist das Gericht bei seiner Beurteilung der Bewilligungsvoraussetzungen nicht an die Stellungnahme des Regionalbeirates gebunden.

(E 2420/2020)

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