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NS-Verharmlosung im Plädoyer: Beschwerde eines Anwalts gegen Verwaltungsstrafe abgewiesen

25.10.2017E 1698/2017

Verhängung einer Verwaltungsstrafe trotz Einstellung des Strafverfahrens verstößt nicht gegen das Verbot der doppelten Verfolgung.

Der Verfassungsgerichtshof hat am 11. Oktober 2017 die Beschwerde eines Rechtsanwalts abgewiesen, der in einer gegen ihn wegen Verbreitung von nationalsozialistischem Gedankengut verhängten Verwaltungsstrafe einen Verstoß gegen das Verbot doppelter Strafverfolgung sah. Der Beschwerdeführer hatte als Pflichtverteidiger im März 2016 in einem Plädoyer vor einem Geschworenengericht die Existenz von Gaskammern im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen bezweifelt. Das deswegen gegen ihn nach dem Verbotsgesetz geführte Strafverfahren wurde nach dem Rücktritt der Staatsanwaltschaft von der Anklage eingestellt. Ein Verwaltungsstrafverfahren hingegen endete mit der Verhängung einer Geldstrafe.

Der Jurist bekämpfte die Verwaltungsstrafe vorerst vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Dieses setzte die Höhe der Geldstrafe zwar von 500 auf 250 Euro herab, bestätigte aber die Verhängung der Strafe an sich. In der Folge brachte der Anwalt eine Beschwerde gegen die Strafe beim VfGH ein. Nach Ansicht des Beschwerdeführers verstoße die Verwaltungsstrafe gegen Art. 4 Abs. 1 des 7. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention (ZPEMRK), weil mit ihr ein und derselbe Sachverhalt zweimal verfolgt worden sei – einmal gerichtlich strafrechtlich und einmal verwaltungsstrafrechtlich.

Der VfGH folgte dieser Ansicht nicht. Grundsätzlich bekräftigte der Gerichtshof, „dass die Zielsetzung des Gesetzgebers, alle Spuren des Nazismus in Österreich zu entfernen, um der Verantwortung der Republik Österreich zu entsprechen, im öffentlichen Interesse liegt“.

In der Frage des Verbotes der doppelten Verfolgung bezog sich der Gerichtshof auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und hielt fest, dass eine Aufeinanderfolge oder Parallelität von Verwaltungsstrafverfahren und gerichtlichem Strafverfahren zulässig sein kann, wenn es sich nicht um eine Verdoppelung der Verfahren handelt, sondern die beiden Verfahren einander zu unterschiedlichen Zwecken ergänzen.

Dies trifft auf den konkreten Fall zu: Das Verbotsgesetz soll Wiederbetätigung im nationalsozialistischen Sinn verhindern. In § 3h stellt es die „erhebliche Untat“ unter Strafe, dass die NS-Verbrechen überhaupt in Abrede gestellt oder in ihren Kern gröblich verharmlost oder gutgeheißen werden.

Der Verwaltungsstraftatbestand gemäß Art. III Abs. 1 Z 4 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen (EGVG)  hingegen erfasst laut dem Erkenntnis des VfGH (auch fahrlässiges) Verhalten, das „objektiv als öffentliches Ärgernis erregender Unfug, der die öffentliche Ordnung durch die Verharmlosung nationalsozialistischen Gedankenguts stört, empfunden wird“ – und zwar deshalb, weil dieses Verhalten fälschlicherweise den Eindruck erweckt, es werde Wiederbetätigung im Sinne des Verbotsgesetzes betrieben.

Abschließend heißt es daher im Erkenntnis: „Die Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen Art. III Abs. 1 Z 4 EGVG ist somit nach Rücktritt von der Anklage wegen § 3h Verbotsgesetz mit Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK vereinbar.“

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