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Nichtraucherschutz in Gastronomiebetrieben: Antrag der Wiener Landesregierung abgewiesen

18.06.2019G 150/2018, G 151/2018, G 55/2018

VfGH sieht rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers nicht überschritten.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat den Antrag der Wiener Landesregierung zum Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetz – TNRSG in der seit 1. Mai 2018 geltenden Fassung mit Erkenntnis vom 18. Juni 2019 abgewiesen.

Die Wiener Landesregierung hatte die Aufhebung von Bestimmungen des TNRSG beantragt, die für „Räume der Gastronomie“ eine Ausnahme vom allgemeinen Rauchverbot an öffentlichen Orten vorsehen. Der Antrag wurde damit begründet, dass diese Bestimmungen gegen mehrere Grundrechte verstoßen würden, so vor allem gegen den Gleichheitsgrundsatz, das Recht auf Achtung des Privatlebens sowie das Recht auf Leben. Im Besonderen machte die Wiener Landesregierung eine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern verschiedener Betriebe sowie eine Verletzung des Vertrauensschutzes der Gastronomen geltend.

Der VfGH teilt diese Bedenken in der am 18. Juni 2019 veröffentlichten Entscheidung nicht.

Unterschiede im Arbeitnehmerschutz sachlich gerechtfertigt

In Bezug auf den Arbeitnehmerschutz hält der VfGH fest, dass die Rechtsordnung in vielfachem Zusammenhang menschliche Verhaltensweisen akzeptiert, die auf die eine oder andere Weise (auch erhebliche) negative Auswirkungen für andere Menschen oder die Allgemeinheit haben können, weil der Gesetzgeber den Freiheitsgewinn höher bewertet als die nachteiligen Folgen. Im demokratischen Rechtsstaat ist es – so der VfGH – die Aufgabe des Gesetzgebers, hier die Freiheit der einen mit der Schutzbedürftigkeit der anderen und mit den öffentlichen Interessen in Einklang zu bringen.

Die angefochtenen Regelungen nehmen diese Abwägung nicht in unverhältnismäßiger Weise vor; dies auch im Hinblick auf die anwendbaren Arbeitnehmerschutzbestimmungen (siehe insbesondere § 13a Abs. 4 und 5 TNRSG sowie § 30 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz).

Differenzierung zwischen öffentlichen Orten nicht unsachlich

Dem Gesetzgeber ist auch nicht entgegenzutreten – so der VfGH weiter –, wenn er Räume, in denen Speisen und Getränke verabreicht werden, im Hinblick auf den Konsum von Tabakwaren anders behandelt als öffentliche Räume, die anderen Zwecken dienen.

Keine gleichheitswidrige Ungleichbehandlung von Gastronomiebetrieben untereinander

Als sachlich begründbar erachtet der VfGH auch die bekämpfte Unterscheidung zwischen kleinen Gastronomiebetrieben, die vom Rauchverbot ausgenommen sind, und größeren Betrieben, die verpflichtet sind, einen rauchfreien Hauptraum einzurichten. Diese Regelung entspricht dem Anliegen, Wettbewerbsnachteile für kleine Betriebe zu vermeiden.

Kein schutzwürdiges Vertrauen von Gastronomen

Auch das Bedenken hinsichtlich des Vertrauensschutzes von Gastronomen teilt der VfGH nicht. Der Gerichtshof hält es zwar für möglich, dass sich Gastronomiebetreiber veranlasst gesehen haben, die im Jahr 2015 beschlossene Neuregelung des Rauchverbotes bei ihren Entscheidungen über die räumliche Gestaltung von Gastronomiebetrieben zu berücksichtigen. Dass mit dieser Neuregelung gezielt ein Anreiz zu erheblichen Investitionen geschaffen werden sollte, ist für den Gerichtshof nicht erkennbar.

Europäische Grundrechte: Ausmaß der Toleranz des Tabakkonsums noch im Beurteilungsspielraum des Staates

Ein absolutes Rauchverbot in der Gastronomie lässt sich auch nicht aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ableiten, wo die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Leben gewährleistet werden. Den Mitgliedstaaten der EMRK (und damit auch Österreich) kommt dem VfGH zufolge bei der Bewertung der gesellschaftlichen Entwicklung dahin, in welchem Ausmaß der Konsum von Tabakwaren als sozialadäquat toleriert wird, derzeit noch ein Beurteilungsspielraum zu.

Antrag von Privatpersonen zurückgewiesen

Einen weiteren, von zwei Gastronomiebetrieben und zwei Nichtrauchern (Vater und Tochter) gemeinsam eingebrachten Antrag hat der VfGH als unzulässig zurückgewiesen. Dieser Antrag war nämlich nicht gegen alle für Gastronomiebetriebe maßgeblichen Ausnahmebestimmungen des TNRSG gerichtet und erwies sich damit als zu eng gefasst.

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