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„Verfassungsrechtlich verpöntes absolutes Bettelverbot“ in der Salzburger Altstadt

04.07.2017V 27/2017 ua

Gemeinderat konnte Bedenken nicht zerstreuen:  Verfassungsgerichtshof stellte fest, dass die frühere Fassung des Verbots gesetzwidrig war.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Juni-Session mehrere Entscheidungen zum Bettelverbot in der Salzburger Altstadt getroffen: Die Verordnung des Salzburger Gemeinderates vom 20. Mai 2015 betreffend ein Bettelverbot hat sich hinsichtlich der Altstadt wegen ihres zeitlichen und örtlichen Anwendungsbereichs als „verfassungsrechtlich verpöntes absolutes Bettelverbot“ erwiesen und war gesetzwidrig. Eine Beschwerde betreffend das Bettelverbot am Grünmarkt hat der Gerichtshof abgelehnt.

Die Richterinnen und Richter haben die Verordnung aus 2015 von Amts wegen geprüft. Anlass war die Beschwerde einer Bettlerin, die wegen eines Verstoßes gegen das Verbot auch des „stillen Bettelns“ bestraft worden war. Dieses Verbot galt in der Getreidegasse und den angrenzenden Gassen bis hin zu Brücken über die Salzach. Mitte 2016 wurde die Verordnung von einer neuen Regelung abgelöst, die den räumlichen Geltungsbereich neu festgelegt hat.

Der VfGH hat bereits 2012 festgestellt, dass ein ausnahmsloses Verbot, als „stiller Bettler“ den öffentlichen Raum zu nutzen, gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße, weil es Menschen von der Nutzung ausschließe. Ein derartiges Verbot verstoße außerdem gegen die Freiheit der Meinungsäußerung, die von der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert wird.

Im Erkenntnis vom 28. Juni 2017 stellt der Gerichtshof nunmehr fest, dass es „zur Vermeidung eines drohenden Missstandes erlaubt sein könnte, zur Ermöglichung der Nutzung dieser Straßenzüge – allenfalls neben anderen Maßnahmen – ein zeitlich und (auf neuralgische Punkte) örtlich beschränktes Verbot auch des ‚stillen‘ Bettelns zu erlassen“. Die in Prüfung gezogene Regelung ist angesichts ihres zeitlichen (täglich von 8 bis 19 Uhr) und örtlichen (bedeutende Teile der Altstadt) Anwendungsbereichs „mit den vom Gemeinderat der Landeshauptstadt Salzburg vorgebrachten Argumenten jedoch sachlich nicht gerechtfertigt“.

Dem VfGH lag außerdem die Beschwerde einer anderen Frau vor, die auf Basis derselben Verordnung wegen Bettelns am Salzburger Grünmarkt bestraft worden war. In diesem Fall (E 1864/2017) lehnten die Richterinnen und Richter die Behandlung der Beschwerde allerdings am 14. Juni 2017 wegen anders gelagerter Voraussetzungen mangels Aussicht auf Erfolg ab.

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