Das ausnahmslose Verbot von „Social Egg Freezing“ ist unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig
Eine Frau, die nach ihrem Vorbringen derzeit keinen Kinderwunsch hatte, jedoch plant, zu einem späteren Zeitpunkt Kinder zu bekommen, beantragte die Aufhebung des gesetzlichen Verbots von „Social Egg Freezing“, also das Verbot der Entnahme und des Einfrierens von Eizellen ohne medizinische Indikation. Die Antragstellerin könne derzeit nicht absehen, wann dies der Fall sein werde, weswegen sie – so die Begründung – einzelne Eizellen entnehmen und diese für eine künftige medizinisch unterstützte Fortpflanzung einfrieren lassen möchte. Da sie kein körperliches Leiden habe, sei „Social Egg Freezing“ für sie verboten. Eine Behandlung wäre für den Arzt strafbar.
Der VfGH hat diesem Antrag stattgegeben und das gesetzliche Verbot von „Social Egg Freezing“ (§ 2b Abs. 1 FMedG), als unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung tritt am 1. April 2027 in Kraft.
Der Wunsch, ein Kind zu haben und daher eine natürliche oder medizinisch unterstützte Methode der Fortpflanzung zu verwenden, ist Teil des Privatlebens und damit ein Grundrecht nach Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Dieses Grundrecht darf nur beschränkt werden, wenn es etwa zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Gewisse Formen der künstlichen Fortpflanzung verursachen ethische und moralische Probleme wie z.B. die Ausbeutung der Gebärfähigkeit der Frau oder die Schaffung ungewöhnlicher persönlicher Beziehungen. Beim „Egg Freezing“ für eine spätere In-vitro-Fertilisation mit den Keimzellen von Ehegatten, eingetragenen Partnern oder Lebensgefährten ergeben sich diese Probleme jedoch nicht.
Auch können – bzw. müssen – gesundheitliche Risiken, die auf Grund der Entnahme von Eizellen für eine nachfolgende In-vitro-Fertilisation entstehen können, mit weniger einschneidenden Mitteln als einem ausnahmslosen Verbot von „Social Egg Freezing“ gemindert werden. So wurden in der öffentlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof etwa aus medizinischer Sicht angezeigte Altersvoraussetzungen für die Entnahme sowie für die Verwendung von Eizellen genannt.
Möglicher sozialer Druck auf Frauen kein ausreichender Grund für ausnahmsloses Verbot
In der öffentlichen Verhandlung am 13. Juni 2025 brachte die Bundesregierung vor, es solle durch die Bestimmung im FMedG Druck auf Frauen verhindert werden, dass sie auf Grund gesellschaftlicher oder beruflicher Erwartungen die Erfüllung des Kinderwunsches aufschieben.
Die von Art. 8 EMRK geschützte Freiheit der Entscheidung über die Art und Weise der Fortpflanzung bedeutet jedoch, dass die Frau selbst in eigener Verantwortung auch über die Entnahme und Aufbewahrung von Eizellen zu entscheiden hat.
„Der Umstand, dass die Entscheidungsfindung unterschiedlichen externen, etwa sozialen oder beruflichen Einflüssen ausgesetzt sein kann, die auch durch gesetzliche Regelungen (…) nicht völlig ausgeschlossen werden können, trägt für sich ein ausnahmsloses Verbot (…) nicht“, stellt der VfGH fest. Ein solches Verbot ist daher unverhältnismäßig.
Der Gesetzgeber kann flankierende Maßnahmen für „Social Egg Freezing“ vorsehen, so etwa Regelungen über Werbung. Dabei hat der Gesetzgeber einen Spielraum. Unter Umständen – diese Frage war vom VfGH nicht näher zu prüfen – können gesetzliche Vorkehrungen (etwa Aufklärungs- und Beratungspflichten sowie Altersgrenzen) verfassungsrechtlich nicht bloß zulässig, sondern auch geboten sein, um eine freie Entscheidung der Frau zu ermöglichen und aus gesundheitlicher Sicht besonders risikoträchtige Konstellationen auszuschließen.
Der Gesetzgeber ist, so der VfGH, nicht verpflichtet, die (schon bisher zulässige) medizinisch indizierte Entnahme von Eizellen und „Social Egg Freezing“ künftig rechtlich völlig gleich zu behandeln: „So kann beispielsweise eine differenzierende Regelung des Alters der Frau bei der Eizellentnahme gerechtfertigt sein, um eine Entnahme aus medizinischen Gründen, etwa bei vorzeitiger Menopause, jedenfalls zu ermöglichen.“
Für eine verfassungskonforme Rechtslage sind jedenfalls mehrere Neuregelungen nötig. Der VfGH hat daher verfügt, dass § 2b Abs. 1 Fortpflanzungsmedizingesetz bis 31. März 2027 in Kraft bleibt.
(G 52/2024)