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VfGH berät über Commerzialbank Mattersburg und COVID-19-Hilfen

25.11.2021

Höchstgericht behandelt ab 29. November insgesamt etwa 300 Fälle

Ab dem kommenden Montag, 29. November, berät der VfGH über insgesamt etwa 300 Fälle. Die Beratungen sind bis Mitte Dezember anberaumt.

Ein Teil der Fälle bezieht sich auf das Thema COVID-19, worüber in einer Presseaussendung (vom 19. November) bereits berichtet wurde. Insgesamt wird der VfGH voraussichtlich rund 25 Fälle im Zusammenhang mit COVID-19 entscheiden. Auf der Tagesordnung stehen auch die folgenden Anträge und Beschwerden.  

Commerzialbank Mattersburg: Ausschluss der Amtshaftung gegenüber geschädigten Bankkunden verfassungswidrig?

Beim VfGH sind mehrere Verfahren anhängig, in denen es um die Haftung des Bundes für Schäden geht, die Kunden der insolventen Commerzialbank Mattersburg erlitten haben. Unter den Antragstellern sind etwa die Einlagensicherung AUSTRIA GmbH sowie mehrere Wohnbaugenossenschaften, Unternehmen und Privatkunden. Sie stützen ihren Anspruch auf Schadenersatz darauf, dass die Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) ihre Pflichten als Organ der Bankenaufsicht verletzt habe.

Das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz (FMABG) sieht seit einer Novelle aus dem Jahr 2008 vor, dass der Bund nur für solche Schäden haftet, die die FMA den von ihr geprüften Unternehmen (also z.B. Banken) rechtswidrig und schuldhaft zugefügt hat (§ 3 Abs. 1 Satz 2). Daraus folgt, dass Bankkunden keine Amtshaftungsansprüche auf Grund von Handlungen oder Unterlassungen der FMA erheben können.

In ihren Anträgen an den VfGH bringen die Antragsteller vor, dass diese Bestimmung gegen Art. 23 B-VG, die verfassungsrechtliche Grundlage der Amtshaftung, verstoße. Jemanden, der durch eine Bankenpleite geschädigt wurde, gänzlich von der Amtshaftung auszuschließen, sei keine „nähere Bestimmung“, mit welcher der Anspruch auf Amtshaftung bloß konkretisiert werde. Auch könnten budgetäre oder fiskalpolitische Erwägungen es nicht rechtfertigen, den Bund pauschal von der Haftung freizustellen.

(G 224/2021 u.a. Zlen.) 

Die Opposition macht Verfassungswidrigkeit der Hilfen über COFAG geltend

Die 85 Nationalratsabgeordneten der SPÖ, der FPÖ und der Neos erheben in einem sogenannten „Drittelantrag“ Bedenken gegen die Rechtsgrundlagen für die Gewährung von COVID-19-Hilfen an Unternehmen. 

Mit der Gewährung von Finanzhilfen an österreichische Unternehmen, die durch die Pandemie in Liquiditätsschwierigkeiten geraten sind, ist seit März 2020 die COVID-19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) betraut. Diese Gesellschaft stellt für betroffene Unternehmen Leistungen wie Garantien, Fixkostenzuschüsse, einen Verlustersatz, einen Ausfallbonus sowie einen Lockdown-Umsatzersatz bereit; dafür stehen ihr 15 Mrd. Euro zur Verfügung. Die Zuerkennung dieser Leistungen erfolgt nach Richtlinien, die vom Bundesminister für Finanzen im Einvernehmen mit dem Vizekanzler zu erlassen sind. Bisher wurden insgesamt zwölf entsprechende Verordnungen erlassen. 

Die antragstellenden Abgeordneten sind u.a. der Ansicht, dass die Bestimmungen über die Vergabe und allfällige Rückforderung von COVID-19-Hilfen gegen das Legalitätsprinzip verstießen. Nach Art. 18 Abs. 1 B-VG darf die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden. Daraus folgt, dass Gesetze einen Inhalt haben müssen, durch den die Verwaltung hinreichend vorherbestimmt wird. Das angefochtene Gesetz enthalte jedoch keinerlei inhaltliche Vorgaben für die nähere Ausgestaltung dieser Hilfen, diese Regelung sei vielmehr dem Bundesminister für Finanzen (im Einvernehmen mit dem Vizekanzler) überlassen worden.

(G 233/2021 u.a. Zlen.) 

Antrag eines Österreichers türkischer und alevitischer Herkunft wegen verweigerter Namensänderung 

Ein Österreicher mit türkischer Herkunft aus einer alevitischen Familie wendet sich an den VfGH, weil die BH Dornbirn und in weiterer Folge das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg seinem Wunsch nicht entsprochen haben, seinen Familiennamen zu ändern.  

Diesen Wunsch begründet er damit, dass in den 1930er Jahren die Namen alevitischer Familien im Zuge eines türkischen Namensänderungsgesetzes zwangsweise geändert worden seien. Daher wolle er wieder den Familiennamen, den seine Vorfahren getragen hatten, annehmen und damit die Verbindung zu seiner Familie ausdrücken. 

Der Antragsteller sieht durch das abweisende Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg u.a. sein Recht auf Privatsphäre verletzt (Art. 8 EMRK). Der Namen einer Person diene der persönlichen Identifikation und der Verbindung zu einer Familie, und betreffe damit ihr Privat- und Familienleben. Das Landesverwaltungsgericht habe jene Bestimmung im Namensänderungsgesetz, wonach ein beantragter neuer Familienname für die Kennzeichnung von Personen im Inland "gebräuchlich" sein muss, in einer den Anforderungen des Art. 8 EMRK widersprechenden Weise ausgelegt und daher den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht verletzt.

(E 3149/2021) 

Verwaltungsgericht Wien wendet sich gegen beschränkte Zahl von autorisierten Sprachinstituten 

Das Verwaltungsgericht Wien beantragt in einem Verordnungsprüfungsverfahren nach Art. 139 B-VG, eine Bestimmung der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung als gesetzwidrig aufzuheben (§ 9 Abs. 2 NAG-DV idF BGBl. II 231/2017).  

Die angefochtene Bestimmung nennt als eine der Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel in Österreich ausreichende Deutschkenntnisse und bezeichnet vier Sprachinstitute, deren Zertifikate gültig sind. Dies diskriminiere, so das Verwaltungsgericht Wien, Personen aus weiten Teilen Afrikas, da sie in der Praxis keinen Zugang zu einem anerkannten Sprachkurs hätten. Von den vier Instituten biete nur eines an wenigen Orten in Afrika Kurse an. Die taxative Aufzählung der Sprachinstitute verstoße daher gegen den Gleichheitsgrundsatz. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Wien hätte die angefochtene Verordnung Raum dafür lassen müssen, dass auch andere Zertifikate als gleichwertig beurteilt werden.

(V 608/2020) 

Prüfungsverfahren betreffend die Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen für Ausländer 

Fortgesetzt wird das Gesetzesprüfungsverfahren, in dem zu klären ist, ob das System der Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen durch das AMS verfassungskonform ist oder nicht. 

Aus Anlass der Beschwerde einer Spenglerei hatte der VfGH in der März-Session 2021 beschlossen, von Amts wegen ein Verordnungsprüfungsverfahren zu einem Erlass von Bundesministerin Beate Hartinger-Klein (BMASK) aus 2018 sowie zu einem Erlass von Bundesminister Martin Bartenstein (BMWA) aus 2004 einzuleiten. Aus diesen Erlässen folgte, dass Beschäftigungsbewilligungen für Asylwerbende nur bei befristeten Beschäftigungen in der Saisonarbeit oder der Erntehilfe erteilt werden dürfen. Im Juni hob der VfGH diese Bestimmungen als gesetzwidrig auf: Bei den Erlässen handelt es sich um Verordnungen, die im Bundesgesetzblatt kundgemacht hätten werden müssen. 

Im fortgesetzten Verfahren über die Beschwerde der Spenglerei entstanden im VfGH Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit einer Bestimmung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG). Der VfGH beschloss daher, von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten. Gegenstand dieses Verfahrens ist die Regelung des § 4 Abs. 3 Z 1 AuslBG. Danach dürfen Beschäftigungsbewilligungen bei Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen nur erteilt werden, „wenn der Regionalbeirat die Erteilung einhellig befürwortet“. Die Regionalbeiräte bestehen aus dem Leiter der jeweiligen regionalen Geschäftsstelle des AMS und vier weiteren Mitgliedern, die auf Vorschlag der Wirtschaftskammer des jeweiligen Landes, der Industriellenvereinigung, der Arbeiterkammer des jeweiligen Landes und des Österreichischen Gewerkschaftsbundes bestellt werden.  

Über Anträge auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung entscheidet die regionale Geschäftsstelle des AMS. In seinem Beschluss vom Juni hatte der VfGH das Bedenken, dass die in Prüfung gezogene Regelung es dieser Behörde unmöglich machen dürfte, das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung selbst zu beurteilen. Der VfGH hatte auch das Bedenken, dass diese Konstruktion gegen Art. 130 B-VG vor dem Hintergrund des Systems der Bundesverfassung verstoßen dürfte. Im Gesetzesprüfungsverfahren hat der VfGH nun zu entscheiden, ob dies zutrifft, und bejahendenfalls die entsprechende gesetzliche Regelung in § 4 Abs. 3 AuslBG aufzuheben.

(G 232/2021)  

Sitzungsablauf  

Werden Fälle auf die Tagesordnung einer Session gesetzt, bedeutet dies nicht automatisch, dass diese Fälle auch in derselben Session entschieden werden. Wenn noch Fragen geklärt werden müssen, ist eine Verschiebung in eine spätere Session möglich.   

Der VfGH gibt seine Entscheidungen durch Zustellung an die Verfahrensparteien oder mündliche Verkündung bekannt. Bis dahin kann der VfGH keine Aussage über die Art der Erledigung eines Falles treffen.

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