VfGH berät über Beschlagnahme von Autos und über Volksbefragungen
In den nächsten Wochen setzt der Verfassungsgerichtshof seine Beratungen über Sicherheitskontrollen auf Flughäfen sowie über die Volksbefragungen zu Windkraftanlagen in Kärnten und zum S-Link in Salzburg fort. Darüber hinaus berät er über mehrere hundert Anträge und Beschwerden, darunter die folgenden:
Post bekämpft Geldstrafe in Millionenhöhe wegen Datenschutzverletzung
Die österreichische Post AG bekämpft beim VfGH eine Geldbuße von 16 Mio. Euro, zu der sie in einem Verwaltungsstrafverfahren wegen einer Verletzung des Datenschutzes verurteilt wurde.
2015 verkaufte die Post als „Parteiaffinitäten“ bezeichnete Marketingklassifikationen von einzelnen Kunden an zwei politische Parteien. Dafür wurden personenbezogene Daten, aus denen eine politische Meinung hervorgehen sollte – nämlich die Wahrscheinlichkeit, mit der sich eine Person für Wahlwerbung einer bestimmten politischen Partei interessiert – berechnet, den betroffenen Personen zugeordnet und gespeichert. Diese Datenverarbeitung erfolgte, so das Ergebnis des Verwaltungsstrafverfahrens, ohne Einwilligung der betroffenen Personen.
Der Post zufolge verstößt es gegen verfassungsgesetzliche Grundsätze der Rechtspflege, dass in einem Verwaltungsstrafverfahren nach dem Datenschutzgesetz (§ 22 Abs. 5) Geldstrafen auch über juristische Personen verhängt werden können. Das Verwaltungsstrafverfahren weise nämlich im Vergleich zu einem gerichtlichen Strafverfahren sachlich nicht begründbare Defizite auf. Eine erhebliche Schlechterstellung ergebe sich z.B. daraus, dass verantwortliche Mitarbeiter der Post nicht als Beschuldigte, sondern als Zeugen einvernommen wurden. (E 335/2025)
Ist die Beschlagnahme der Autos von Rasern verfassungswidrig?
Das Landesverwaltungsgericht (LVwG) Steiermark beantragt, Regelungen der Straßenverkehrsordnung (StVO) als verfassungswidrig aufzuheben, wonach Kraftfahrzeuge bei erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen beschlagnahmt oder für verfallen erklärt (endgültig einbehalten) werden können.
Fahrzeuge sind nach der StVO „unter Bedachtnahme auf die Verkehrssicherheit“ zu beschlagnahmen, wenn mit technischen Hilfsmitteln festgestellt wurde, dass der Lenker die erlaubte Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 60 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 70 km/h überschritten hat (§ 99b StVO). Eine Beschlagnahme ist jedoch nur möglich, wenn der Lenker Eigentümer des Fahrzeugs ist. Ein geleastes Fahrzeug kann daher nicht beschlagnahmt werden.
Wurde dem Lenker innerhalb der letzten vier Jahre die Lenkberechtigung wegen einer derart erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung entzogen, oder hat der Lenker die erlaubte Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 80 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 90 km/h überschritten, ist das beschlagnahmte Fahrzeug zudem für verfallen zu erklären, wenn dies, so die StVO, „geboten erscheint“, um den Lenker von weiteren Übertretungen abzuhalten (§ 99c StVO). Das LVwG hält diese Regelungen in mehrfacher Hinsicht für verfassungswidrig, weil sie gegen den Gleichheitsgrundsatz, die Eigentumsgarantie und das Legalitätsprinzip verstießen bzw. nicht hinreichend bestimmt seien. (G 30/2025)
Verwendung im Ausland entschlüsselter Chats in österreichischen Strafverfahren
Zwei wegen Suchtgifthandels noch nicht rechtskräftig verurteilte Personen zielen mit einem Antrag an den VfGH darauf ab, dass von ausländischen Ermittlern entschlüsselte Chat-Nachrichten als Beweismittel in einem österreichischen Strafverfahren nicht verwertet werden dürfen. Die beiden Angeklagten wurden im Mai 2025 von einem österreichischen Gericht zu Freiheitsstrafen verurteilt, weil sie als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung Suchtgift von Deutschland nach Österreich gebracht und anderen überlassen haben. Der Schuldspruch stützt sich insbesondere auf entschlüsselte sogenannte „Kryptochats“, die von ausländischen Behörden sichergestellt und an die österreichischen Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet worden waren.
Im Verfahren über das Rechtsmittel beantragen die Angeklagten beim VfGH, jene Bestimmungen der Strafprozessordnung aufzuheben, wonach verschlüsselte Nachrichten in einem österreichischen Strafverfahren nur unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. nicht bei allen Delikten) überwacht bzw. entschlüsselt werden dürfen. Diese Bestimmungen ließen, so die Antragsteller, zu, dass Beweisergebnisse aus Ermittlungen ausländischer Behörden in österreichischen Strafverfahren auch dann verwendet werden dürfen, wenn diese Ermittlungsmaßnahmen nach österreichischem Recht unzulässig wären. Dies verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. (G 123/2023 ua.)
Landesverwaltungsgericht hinterfragt Flächenwidmung für Campingresort Hinterstoder („Villa Peham“)
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG OÖ) beantragt beim VfGH, das Örtliche Entwicklungskonzept, den Flächenwidmungsplan und den Bebauungsplan für ein im Frühjahr 2025 eröffnetes Campingresort in Hinterstoder als gesetzwidrig aufzuheben.
Diesem Verfahren geht ein Rechtsstreit voraus, in dem der VfGH nach Beschwerden eines Nachbarn gegen das – damals noch in Planung befindliche – Campingresort zwei Erkenntnisse des LVwG aufgehoben hat, weswegen das LVwG ein drittes Mal über die Einwände des Nachbarn entscheiden muss.
Nun wendet sich das LVwG an den VfGH. Es verweist darauf, dass die Widmungen für das Campingresort vom VfGH bereits im Dezember 2023 aufgehoben worden seien. In der Folge habe der Gemeinderat von Hinterstoder neue Verordnungen erlassen, mit denen das Grundstück der ehemaligen „Villa Peham“ erneut als „Sondergebiet – Tourismusbetrieb“ gewidmet worden sei, um die Errichtung des Campingresorts zu ermöglichen. Für diese Sonderwidmung gebe es nach wie vor keine sachliche Begründung; sie verstoße daher weiterhin gegen die Vorgaben des Oö. Raumordnungsgesetzes 1994. (V 221/2025 ua.)
Öffentliche Verhandlung
Am Mittwoch, 3. Dezember 2025, 9.30 Uhr, führt der VfGH eine öffentliche mündliche Verhandlung über einen Antrag betreffend das Monitoring der Lagerbestände von Medikamenten durch. Einzelheiten dazu finden Sie hier.
Steht ein Fall auf der Tagesordnung, bedeutet dies nicht automatisch, dass darüber in diesen Tagen entschieden wird. Nach Ende der Beratungen werden die Entscheidungen des VfGH den Verfahrensparteien zugestellt. Erst danach wird der VfGH darüber informieren.
