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VfGH: Mindestsicherung OÖ trägt Gleichheitsgrundsatz im Wesentlichen Rechnung

18.12.2018G 156/2018 ua

Der VfGH hat die Anträge zum Oberösterreichischen Mindestsicherungsgesetz in weiten Teilen abgewiesen.

Das Landesverwaltungsgericht hatte Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der betragsmäßigen Deckelung der Gesamtleistung für Bedarfsgemeinschaften erhoben. Diese Grenze liegt derzeit bei € 1.512,--. Bei größeren Familien oder Bedarfsgemein­schaften sind die Mindeststandards aller Personen einer Haushaltsgemeinschaft gleichmäßig prozentuell zu kürzen; und zwar derart, dass dieser Deckel nicht überschritten wird. Bei diesen Kürzungen müssen jedoch bestimmte Untergrenzen beachtet werden: bei minderjährigen unterhaltsberechtigten Personen 12 %, bei volljährigen anspruchsberechtigten Personen 30 % des Ausgleichszulagenrichtsatzes. Anders als die mit Erkenntnis vom 7. März 2018 (G 136/2017) aufgehobenen Bestimmungen des NÖ Mindestsicherungsgesetzes geht die Regelung zur OÖ Mindestsicherung davon aus, dass für jede weitere zu einer bestehenden Haushaltsgemeinschaft hinzutretende Person in jedem Fall ein bestimmter Betrag anzusetzen ist. Dies führt dazu, dass der für eine Haushaltsgemeinschaft vorgesehene Betrag ab einer gewissen Haushaltsgröße um einen bestimmten Betrag zu erhöhen ist.

Der VfGH hat entschieden, dass die Festsetzung des Pauschalbetrages in § 13a Abs. 1 und 2 in Verbindung mit der in § 13a Abs. 6 und 7 Oö. BMSG vorgesehenen, nicht unterschreitbaren richtsatzmäßigen Geldleistung für jede weitere hinzukommende Person dem eigentümlichen Zweck der bedarfsorientierten Mindestsicherung, nämlich der Vermeidung und Bekämpfung sozialer Notlagen, in einer dem Gleichheitssatz Rechnung tragenden Weise gerecht wird. Dies umso mehr, als bei Beurteilung, ob ein ausreichender Betrag zur Vermeidung einer sozialen Notlage zur Verfügung steht, für minderjährige unterhaltsberechtigte Personen zusätzlich der Grundbetrag der Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag berücksichtigt werden können; diese Leistungen dienen nämlich ebenso der Sicherung des Lebensunterhaltes.

Als verfassungswidrig erwies sich allerdings jene Bestimmung in § 13a Abs. 1 Oö. BMSG, wonach bei Berechnung der Summe der Mindeststandards in einer Haushaltsgemeinschaft auch jene Personen mit einem fiktiven Mindeststandard zu berücksichtigen sind, die keinen Antrag gestellt haben oder keinen Leistungsanspruch haben oder haben werden. Durch diese Regelung werden nämlich Haushaltsgemeinschaften mit nicht anspruchsberechtigten Personen gegenüber Haushaltsgemeinschaften mit anspruchsberechtigten Personen ohne sachlichen Grund benachteiligt.

Mindestsicherung Burgenland: Wartefrist und Deckelung verfassungswidrig

Anders als die Vorschriften zur OÖ Mindestsicherung sah die burgenländische Regelung eine Deckelung der Mindestsicherung pro Haushalt in der Höhe von € 1.500,-- pro Haushalt unabhängig von der Haushaltsgröße vor, ohne einen bestimmten Mindestbetrag für hinzutretende Personen. Die burgenländische Regelung der Deckelung entsprach damit im Wesentlichen jener niederösterreichischen Regelung, die der Verfassungsgerichtshof bereits in der März-Session 2018 als verfassungswidrig qualifiziert hatte: Selbst wenn die Lebenshaltungskosten pro Person bei zunehmender Größe der Haushaltsgemeinschaft abnehmen mögen, ist nämlich pro weiterer Person ein Aufwand in einiger Höhe erforderlich. Die burgenländische Deckelungsbestimmung erwies sich daher als verfassungswidrig.

Auch hat der burgenländische Landesgesetzgeber ebenso wie der niederösterreichische eine Wartefrist vorgesehen: Wer sich nicht innerhalb der letzten sechs Jahre mindestens fünf Jahre in Österreich aufgehalten hat, erhält gemäß der „Mindeststandards-Integration“ eine geringere Leistung. Ebenso wie bei der niederösterreichischen Regelung kam der Verfassungsgerichtshof daher zum Ergebnis, dass diese Wartefrist zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung österreichischer Staatsbürger untereinander, je nach Aufenthaltsdauer in Österreich innerhalb der letzten sechs Jahre, führt. Auch im Hinblick auf Asylberechtigte ist die Regelung unsachlich, weil diese ihr Herkunftsland wegen „wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden“ verlassen mussten und aus denselben Gründen (derzeit) nicht dorthin zurückkehren können. Asylberechtigte dürfen daher im vorliegenden Zusammenhang nicht mit anderen Fremden (Unionsbürgern und Drittstaatsangehörigen), denen es freisteht, in ihren Herkunftsstaat zurückzukehren, gleichgestellt werden. Die Differenzierung der Höhe der Mindestsicherung nach der bloßen Aufenthaltsdauer im Inland kann auch nicht mit einem Anreiz zur Arbeitsaufnahme begründet werden, da der bloße Aufenthalt im In- oder Ausland keinen Rückschluss auf die Arbeitswilligkeit einer Person zulässt.

§§ 10a und 10b Bgld MSG wurden daher als verfassungswidrig aufgehoben.

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