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Verfassungsgerichtshof berät über dritte Piste für Flughafen Wien-Schwechat

08.06.2017

Weitere Themen der Sommersession: Mietrecht, Bettelverbot in der Stadt Salzburg und die Enteignung von Hitlers Geburtshaus.

Die 14 Verfassungsrichterinnen und -richter haben am 8. Juni 2017 die Beratungen ihrer Sommersession aufgenommen. Auf der Tagesordnung der drei Wochen (bis 1. Juli 2017) steht unter anderem die Beschwerde der Flughafen Wien AG und des Landes Niederösterreich gegen die Versagung der Bewilligung für die geplante dritte Piste des Flughafens Wien-Schwechat durch das Bundesverwaltungsgericht.

Für Dienstag, 20. Juni 2017, 10 Uhr, ist eine öffentliche Verhandlung zum niederösterreichischen Jagdgesetz geplant: Eigentümer wollen ihre Grundstücke zu „jagdrechtlich befriedeten Gebieten“ erklären und wehren sich gegen die Zwangsmitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft.

Die Aufnahme von Fällen auf die Tagesordnung bedeutet nicht automatisch, dass diese Fälle auch in dieser Session entschieden werden können. Wenn noch Fragen geklärt werden müssen, ist eine Verschiebung in die nächste Session möglich. Vor Beginn der Beratungen kann außerdem keine Aussage über die Art der Erledigung getroffen werden.

Flughafen Wien kämpft um die dritte Piste

 Ein Dreiersenat des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) hat am 2. Februar 2017 die Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer dritten Piste am Flughafen Wien-Schwechat versagt. Die Richter begründeten ihren Spruch mit dem Überwiegen des öffentlichen Interesses daran, „dass es in Österreich zu keinem markanten Anstieg an Treibhausgas-Emissionen kommt“. Dieses Interesse sei gewichtiger als die „verschiedensten öffentlichen Interessen, die für die Errichtung des Vorhabens sprechen“. Der Senat beruft sich dabei auf nationale und international eingegangene Verpflichtungen zur Reduktion der Emissionen und zieht u.a. die Bundesverfassung und die niederösterreichische Landesverfassung heran, die dem Umweltschutz und vor allem dem Klimaschutz einen „besonderen Vorrang“ einräumten.

Die Flughafen Wien AG und das Land Niederösterreich bekämpfen die Entscheidung des BVwG vor dem VfGH. Sie werfen dem BVwG die denkunmögliche Anwendung des Luftfahrtgesetzes vor und machen u.a. geltend, dass die Treibhausgas-Emissionen nicht dem Flughafen, sondern den Fluglinien zugerechnet werden müssten. Außerdem könnten Staatszielbestimmungen ohne weitere Konkretisierung kein Hindernis für die Genehmigung eines Vorhabens sein. 

Niederösterreicher lehnen Jagd auf ihren Grundstücken ab

Mehrere Grundstücksbesitzer aus Niederösterreich bekämpfen Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts, die ihnen die Jagdfreistellung ihrer Liegenschaften versagen. Beim Verfassungsgerichtshof waren bzw. sind einschlägige Verfahren aus mehreren Bundesländern anhängig. Bereits am 15. Oktober 2016 haben die Richterinnen und Richter das Kärntner Jagdgesetz bestätigt und festgestellt, dass Eigentümer im südlichsten Bundesland die Jagd dulden müssen. Noch anhängig sind Verfahren zur Steiermark und zu Oberösterreich. 

Zur Klärung der Fälle betreffend das niederösterreichische Jagdgesetz führt der Verfassungsgerichtshof am Dienstag, 20. Juni 2017, um 10 Uhr eine öffentliche Verhandlung durch. Ort: Verfassungsgerichtshof, 1010 Wien, Freyung 8. Medienvertreterinnen und -vertreter werden für den Fall einer Teilnahme an der Verhandlung um ein kurzes Aviso an mediensprecher@vfgh.gv.at ersucht. 

Vermieter bekämpfen Richtwertsystem

Dem Verfassungsgerichtshof liegen neuerlich mehrere Anträge von Wiener Haus- bzw. Wohnungseigentümern gegen das Richtwertsystem im Mietrecht vor. Zuletzt hat der Verfassungsgerichtshof am 12. Oktober 2016 Anträge gegen das Mietrechts- und das Richtwertgesetz ab- bzw. zurückgewiesen. Die neuerlichen Anfechtungen machen geltend, dass der Richtwert „willkürlich“ festgelegt und daher unsachlich sei. Außerdem verstoße das Richtwertsystem gegen das Grundrecht auf Eigentum und die Freiheit der Erwerbsausübung. Anlass der Anträge sind Verfahren, die Mieter vor Bezirksgerichten führen, um eine Herabsetzung ihres Zinses zu erreichen. 

Salzburger Parteienförderung neuerlich vor dem Höchstgericht

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung von Teilen des Salzburger Parteienförderungsgesetzes beantragt. Konkret geht es um eine Bestimmung, welche die Höhe der Förderung für eine Landtagspartei von der Zahl ihrer aktuellen Mandatare abhängig macht ­– und nicht von der Zahl der bei der letzten Landtagswahl erzielten Mandate.

Der Antrag des Landesverwaltungsgerichts geht auf Beschwerden der FPÖ und des Team Stronach gegen Bescheide zur Parteienförderung zurück. Hintergrund ist eine Geschichte von Parteispaltungen und Novellen zur Parteienförderung im Landtag.

Auch der Verfassungsgerichtshof war im Herbst des Vorjahres bereits einmal mit der Causa beschäftigt: Am 12. Oktober 2016 haben die Richterinnen und Richter (damals auf Antrag der FPÖ) entschieden, dass die Parteienförderung am Ergebnis der letzten Landtagswahl und nicht an der Zahl der „verbliebenen“ Mandatare bemessen werden müsse. Als Reaktion auf das Erkenntnis änderte der Landtag das Parteienförderungsgesetz und schrieb die Berechnung anhand der aktuellen Mandatszahl fest. Die FPÖ und das Team Stronach, die seit der Wahl Abgeordnete verloren haben, büßten damit auch Fördermittel ein. 

Bettelverbot in der Stadt Salzburg am Prüfstand

Der Verfassungsgerichtshof muss Entscheidungen betreffend das Bettelverbot in der Stadt Salzburg treffen. In einem Fall haben die Richterinnen und Richter in ihrer Frühjahrssession ein Verfahren zur Verordnungsprüfung eingeleitet.

Anlass der Verordnungsprüfung ist die Beschwerde einer Betroffenen, die für "stilles Betteln" in der Getreidegasse 100 Euro Strafe zahlen musste. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes: Das Verbot in der Salzburger Innenstadt ist derart weitläufig, dass es einem ausnahmslosen Verbot des Bettelns gleichkommen könnte. Bereits 2012 hat der Verfassungsgerichtshof zum damaligen Bettelverbot im Salzburger Landessicherheitsgesetz festgestellt, dass ein ausnahmsloses Verbot auch des „stillen Bettelns“ gegen den Gleichheitsgrundsatz und gegen die Freiheit der Meinungsäußerung verstößt.  

Ex-Eigentümerin bekämpft Enteignung von Hitlers Geburtshaus

Gleich zwei Anträge haben das Ziel, die per Gesetz verfügte Enteignung des Geburtshauses von Adolf Hitler in Braunau (OÖ) zu stoppen bzw. rückgängig zu machen. Antragstellerin ist in beiden Fällen die bisherige Eigentümerin. Einmal versucht sie, das „Bundesgesetz über die Enteignung der Liegenschaft Salzburger Vorstadt Nr. 15, Braunau am Inn“, per Individualantrag zu Fall zu bringen. Im anderen Fall hat sie einen Parteiantrag gestellt, und zwar aus Anlass eines Verfahrens, in dem die Republik Österreich das Eigentumsrecht an der Liegenschaft im Grundbuch vormerken ließ. Die Eigentümerin hat gegen den entsprechenden Beschluss des Bezirksgerichts Braunau ein Rechtsmittel eingelegt. 

Keine Mindestsicherung für subsidiär Schutzberechtigte in Niederösterreich?

Ein irakischer Staatsangehöriger mit Aufenthaltsstatus als subsidiär Schutzberechtigter ist bei der Bezirkshauptmannschaft Melk und in der Folge beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit dem Antrag auf Zuerkennung der bedarfsorientierten Mindestsicherung gescheitert. Als Begründung nannten die Behörden das niederösterreichische Mindestsicherungsgesetz, das subsidiär Schutzberechtigte seit einer am 5. April 2016 in Kraft getretenen Novelle von der Mindestsicherung ausschließt. Stattdessen ist der Iraker, der zuvor bereits Mindestsicherung bezogen hat, nunmehr auf Leistungen aus der Grundversorgung angewiesen. Diese machen weniger als die Hälfte der Mindestsicherung aus.

Der Beschwerdeführer bzw. sein Sachwalter machen in dem Antrag beim VfGH geltend, der Betroffene werde durch diese Entscheidung im Recht auf Gleichbehandlung Fremder untereinander verletzt. 

Verletzt das Polizeiliche Staatsschutzgesetz die Grundrechte?

61 Nationalratsabgeordnete von Freiheitlichen und Grünen haben beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung des Polizeilichen Staatsschutzgesetzes eingebracht. Sie sehen durch das Staatsschutzgesetz und damit zusammenhängende Regelungen im Sicherheitspolizeigesetz Grundrechte verletzt.

Der Nationalrat hat das Polizeiliche Staatsschutzgesetz, das die Arbeit des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung neu regelt, im Jänner 2016 beschlossen. Ein Drittel der Abgeordneten des Nationalrats (mindestens 61) kann beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung von Gesetzen wegen Verfassungswidrigkeit verlangen.

Wie müssen Urteile von Geschworenen begründet sein?

Mirsad O., der wegen terroristischer Vereinigung, krimineller Organisation sowie Anstiftung zu Mord und schwerer Nötigung in erster Instanz zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde, sieht sich in seinem Recht auf ein faires Verfahren verletzt, weil Urteile von Geschworenengerichten nicht begründet werden müssten. Er hat beim Verfassungsgerichtshof einen gegen die Strafprozessordnung gerichteten Antrag eingebracht.

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