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VfGH-Oktobersession 2017: Buwog-Prozess, Fristen im Asylverfahren und Werbeabgabe

18.09.2017

Der Verfassungsgerichtshof startet in umfangreiche Beratungen. Vorerst sind zwei öffentliche mündliche Verhandlungen vorgesehen.

Am Verfassungsgerichtshof haben die Beratungen der Herbstsession begonnen. Die Bandbreite der Fälle reicht von der Frage der Zuweisung von Rechtssachen an ordentlichen Gerichten (am konkreten Fall des Buwog-Prozesses) über das Polizeiliche Staatsschutzgesetz bis hin zur Werbeabgabe, dem Apothekenmonopol und den Fristen im Asylgesetz.

In vorerst zwei Fällen sind öffentliche mündliche Verhandlungen vorgesehen:

  • Bankwesengesetz/Verwaltungsstrafen: 3.10.2017, 10 Uhr. 
  • Mandatsverlust Gemeinderat Stall: 27.9.2017, 15 Uhr.

Weitere mündliche Verhandlungen können während der Session angesetzt werden. Die Session dauert bis 14. Oktober 2017.

Die Aufnahme von Fällen auf die Tagesordnung bedeutet nicht automatisch, dass diese Fälle auch in dieser Session entschieden werden. Wenn noch Fragen geklärt werden müssen, ist eine Verschiebung in die nächste Session möglich. Vor Beginn der Beratungen kann außerdem keine Aussage über die Art der Erledigung getroffen werden.

Angeklagter im Buwog-Verfahren lehnt Richterin ab 

Ernst Plech, einer der Angeklagten im sogenannten Buwog-Verfahren, hat beim VfGH die Prüfung von Regelungen der Strafprozessordnung beantragt. Konkret geht es ua um § 43 und die Frage der Verbindung von Verfahren gegen denselben Angeklagten. Die Causa Buwog ist wegen dieser Bestimmung am Landesgericht Wien einer anderen Richterin als der ursprünglich vorgesehenen zugewiesen worden. 

VfGH prüft Beschwerdefrist gegen Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl

Für Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) über einen Antrag auf internationalen Schutz gilt eine nur zweiwöchige Frist, sofern diese Entscheidung mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist. Aus Anlass der Beschwerde eines marokkanischen Staatsangehörigen gegen einen negativen Bescheid des BFA muss sich der VfGH mit dieser Bestimmung auseinandersetzen und hat dazu im Juni 2017 eine amtswegige Prüfung eingeleitet. Der VfGH hat Bedenken, dass die Regelung gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verstößt. Außerdem haben die Richterinnen und Richter Bedenken, ob die vergleichsweise kürzere Frist – die  Rechtsmittelfrist gemäß Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz beträgt vier Wochen – tatsächlich „unerlässlich“ ist. Diese Unerlässlichkeit ist Voraussetzung für die Zulässigkeit der Verkürzung. 

Verlage bekämpfen die Werbeabgabe

Beim Verfassungsgerichtshof sind insgesamt 23 Beschwerden von Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen anhängig. Sie richten sich gegen eine behauptete steuerliche Ungleichbehandlung verschiedener Werbeformen: Für Werbung in Printmedien ist Werbeabgabe zu entrichten, Online-Werbung hingegen ist steuerfrei. Dabei bestünden in zentralen Merkmalen keine Unterschiede zwischen Print- und Onlinewerbung. Im Wesentlichen Gleiches werde ungleich behandelt.

Die Verlage hatten diese Bedenken bereits mit Einsprüchen gegen die Steuerbescheide für das Wirtschaftsjahr 2015 beim Bundesfinanzgericht geltend gemacht, dieses hat die Beschwerden aber abgewiesen. Die Entscheidungen des Bundesfinanzgerichts sind nun Gegenstand der Beschwerden beim Verfassungsgerichtshof. 

Verletzt das Polizeiliche Staatsschutzgesetz die Grundrechte?

61 Nationalratsabgeordnete von Freiheitlichen und Grünen haben beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung des Polizeilichen Staatsschutzgesetzes eingebracht. Sie sehen durch das Staatsschutzgesetz und damit zusammenhängende Regelungen im Sicherheitspolizeigesetz Grundrechte verletzt.

Der Nationalrat hat das Polizeiliche Staatsschutzgesetz, das die Arbeit des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung neu regelt, im Jänner 2016 beschlossen. Ein Drittel der Abgeordneten des Nationalrats (mindestens 61) kann beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung von Gesetzen wegen Verfassungswidrigkeit verlangen. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits im Juni 2017 über das Staatsschutzgesetz beraten, traf zum damaligen Zeitpunkt aber noch keine Entscheidung. 

Wie hoch dürfen Verwaltungsstrafen sein?

Das Bundesverwaltungsgericht hat beim Verfassungsgerichtshof mehrere Anträge auf Aufhebung von Bestimmungen des Bankwesengesetzes gestellt. Hintergrund sind mehrere von der Finanzmarktaufsicht (FMA) gegen Kreditinstitute verhängte Verwaltungsstrafen in bis zu sechsstelliger Höhe. Der Strafrahmen laut BWG (zehn Prozent des jährlichen Gesamtnettoumsatzes) wäre in einem der vorliegenden Fälle sogar jenseits der Millionengrenze gelegen.

Strafen in dieser Höhe fallen nach Ansicht des BVwG aber in den „Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit“. Das BVwG hat Bedenken, ob eine Verwaltungsbehörde wie die FMA mit einer derartigen Strafbefugnis ausgestattet sein darf – oder ob derartige Strafen den ordentlichen Gerichten vorbehalten sein müssten. 

Zur Klärung offener Fragen betreffend den Antrag zum Bankwesengesetz führt der Verfassungsgerichtshof am Dienstag, 3. Oktober 2017, um 10 Uhr eine öffentliche Verhandlung durch. Ort: Verfassungsgerichtshof, 1010 Wien, Freyung 8. Medienvertreterinnen und –vertreter werden für den Fall einer Teilnahme an der Verhandlung um ein kurzes Aviso an mediensprecher@vfgh.gv.at ersucht. 

Bundesverwaltungsgericht beantragt Aufhebung von gesetzlichen Sonderregelungen zum Pensionstransfer der Bank Austria

Im Weg eines Antrags des Bundesverwaltungsgerichts beschäftigt der Transfer von Pensionszusagen für 3028 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bank Austria im Vorjahr nun auch den Verfassungsgerichtshof: Das BVwG hat die Aufhebung der 2016  im Nationalrat beschlossenen Bestimmungen im ASVG beantragt, mit denen der Überweisungsbetrag für derartige Übertragungen mit 22,8 Prozent der Berechnungsgrundlage fixiert wurde – dies zudem rückwirkend. Zuvor galten 7 Prozent. Für die Bank Austria habe sich der Überweisungsbetrag damit um mehr als das Dreifache auf rund 790 Millionen Euro erhöht. Die Beschwerdeführerin – die Bank Austria – werde durch diese Vorgangsweise einseitig und gleichheitswidrig belastet.

Anlass des Verfahrens vor dem BVwG sind Einsprüche der Bank Austria gegen 3028 Bescheide der Pensionsversicherungsanstalt, mit denen für jeden betroffenen Mitarbeiter der jeweilige Überweisungsbetrag fixiert wurde.  

Buchungsplattformen wehren sich gegen Verbot von Bestpreisklauseln

Die Hotel-Buchungsplattformen booking.com und  Expedia haben Individualanträge an den Verfassungsgerichtshof gerichtet, um eine Aufhebung des Verbots von Bestpreisklauseln in ihren Verträgen mit Hotels und Vermietern zu erreichen. Dieses Verbot im Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und im Preisauszeichnungsgesetz ist seit Jahresbeginn 2017 in Kraft.  

Stadt Wels will sich keine Asylunterkunft verordnen lassen

Die Stadt Wels bzw. ihr Bürgermeister bekämpfen die am 21. Oktober 2016 vom Innenminister per Durchgriffsrecht verordnete Unterbringung von Asylwerbern auf dem Gelände der ehemaligen Frauenklinik. Eine Beschwerde der Stadt wurde bereits vom Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen. Im nächsten Schritt zog die Stadt vor den VfGH. In ihrer Beschwerde macht die oberösterreichische Bezirksstadt geltend, dass das „Bundesverfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden“ (BVG Unterbringung) den Baugesetzen der Verfassung widerspreche. Die Vorgangsweise des Innenministers stelle einen Verstoß gegen das föderalistische und das rechtsstaatliche Prinzip der Bundesverfassung sowie gegen das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden.

Der VfGH hat sich bereits einmal mit dem BVG Unterbringung bzw. einer Anwendung des darin verankerten Durchgriffsrechts beschäftigt. Die Kärntner Gemeinde Ossiach focht damals den entsprechenden Bescheid der Innenministerin direkt beim VfGH an. Dieser ist aber vor dem VfGH aber nicht direkt bekämpfbar, es muss vorher das BVwG angerufen werden. 

Gastgewerbe-Verein fordert Ende der Steuerfreiheit von Parteifesten

Die vom „Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs“ angefochtenen gewerbe- und steuerrechtlichen Bestimmungen stammen aus dem Juli 2016: Damals hat das Parlament gleichzeitig mit Erleichterungen für die Gastronomie auch Besserstellungen für politische Parteien und deren Vorfeldorganisationen beschlossen. Diese können seither für gesellige Veranstaltungen Begünstigungen in Anspruch nehmen, wie sie auch für gemeinnützige Vereine gelten. Insbesondere betrifft das die Besteuerung und Vorgaben des Gewerberechts.

Die Beschwerdeführer gehen gegen diese Regelungen am Beispiel eines Festes einer SPÖ-Sektion in Wien vor. Der „Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs“ besteht seit 1983 und zielt nach eigenen auf die Förderung und den Schutz des lauteren und freien Wettbewerbs in allen Wirtschaftszweigen ab. Tätig sei man vor allem im Bereich des Gastgewerbes. 

NÖ Grundbesitzer wollen ihre Liegenschaften jagdfrei stellen

Dem Verfassungsgerichtshof liegen Beschwerden von Grundeigentümern aus verschiedenen Teilen Niederösterreichs vor, die ihre Liegenschaften jagdfrei stellen wollen und die Mitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft ablehnen. Sie berufen sich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Demnach stelle die Verpflichtung zur Duldung der Jagd für Grundstückseigentümer, welche die Jagd ablehnen, eine unverhältnismäßige Belastung darstelle.  Der VfGH hat in diesem Verfahren im Juni 2017 eine öffentliche Verhandlung durchgeführt. 

Opposition im steirischen Landtag will Wohnunterstützungsgesetz zu Fall bringen

19 Abgeordnete zum steirischen Landtag aus den Fraktionen von FPÖ, Grünen und KPÖ haben beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung einzelner Bestimmungen des steirischen Wohnunterstützungsgesetzes beantragt. Sie sehen in ihrem Drittelantrag den Gleichheitssatz verletzt, weil bei Studierenden – und nur bei diesen – auch das Einkommen der Eltern zur Berechnung des Anspruchs auf das Wohngeld herangezogen wird, auch wenn sie nicht im gleichen Haushalt leben. Außerdem mangle es einigen Begriffen im Gesetz an der nötigen Bestimmtheit.  

Drogeriekette DM fordert Ende des Apothekenmonopols für Arzneimittel

Die Drogeriemarktkette DM will in ihren Filialen auch Arzneimittel verkaufen, sofern diese nicht rezeptpflichtig sind. Dem stehen aber Bestimmungen vor allem des Arzneimittelgesetzes entgegen, die den Apothekenvorbehalt regeln. Das Unternehmen sieht in diesen Bestimmungen einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot, die Regelungen seien außerdem unsachlich. DM hatte bereits im Vorjahr einen Individualantrag gestellt, um das Apothekenmonopol zu Fall zu bringen. Diesen hatte der VfGH als zu eng gefasst zurückgewiesen (10. Oktober 2016, G 49/2016). 

Gemeinderat von Stall (Kärnten) beantragt Mandatsverlust eines Ersatzmitglieds

Der Gemeinderat der Gemeinde Stall im Mölltal hat beim VfGH beantragt, ein gewähltes Ersatzmitglied des Gemeinderates seines Mandats für verlustig zu erklären. Der Betroffene hatte sich geweigert, bei der Angelobung in der konstituierenden Sitzung des Gemeinderats am 15. März 2015 dem Bürgermeister zum Gelöbnis die Hand zu reichen. Damit habe der Bewerber sein Gelöbnis aber nicht ordnungsgemäß geleistet.   

Zur Klärung offener Fragen betreffend den Antrag der Gemeinde Stall führt der Verfassungsgerichtshof am MIttwoch, 27. September 2017, um 15 Uhr eine öffentliche Verhandlung durch. Ort: Verfassungsgerichtshof, 1010 Wien, Freyung 8. Medienvertreterinnen und –vertreter werden für den Fall einer Teilnahme an der Verhandlung um ein kurzes Aviso an mediensprecher@vfgh.gv.at ersucht.

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