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21. Juni 2019: 150 Jahre Verfassungsgerichtsbarkeit in Österreich

19.06.2019

Das Reichsgericht (1869 bis 1918) als Vorläufer des heutigen Verfassungsgerichtshofes.

Reichsgericht nahm Tätigkeit am 21. Juni 1869 auf

Das Reichsgericht der konstitutionellen Monarchie war ein Vorläufer des Verfassungsgerichtshofes. Die besondere Bedeutung des Reichsgerichts liegt darin, dass einige institutionelle Besonderheiten, die den österreichischen Verfassungsgerichtshof von anderen Verfassungsgerichten unterscheiden, bereits dort zu finden sind. Das Reichsgericht war der erste Vertreter einer Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts für die "im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder" Altösterreichs ("Cisleithanien"). Der Verwaltungsgerichtshof wurde erst einige Zeit später, im Jahr 1876, errichtet.

Standort des Reichsgerichts am Schillerplatz 

Das Reichsgericht wurde mit den Staatsgrundgesetzen vom 21. Dezember 1867 – der sogenannten Dezemberverfassung 1867 – errichtet. Es nahm seine Tätigkeit am 21. Juni 1869 auf. Seinen Sitz hatte es in Wiener Innenstadt, zunächst in der Bankgasse (Nr. 10, dann Nr. 14), schließlich am Schillerplatz 4.  

Hüter der Grundrechte

Das Reichsgericht war zur Entscheidung bei Kompetenzkonflikten (zB zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden) und in "streitigen Angelegenheiten öffentlichen Rechtes" berufen; dazu gehörte vor allem auch die Entscheidung über Beschwerden der Staatsbürger wegen Verletzung der ihnen durch die Verfassung gewährleisteten politischen Rechte. Damit war das Reichsgericht das weltweit erste speziell zur Prüfung von Grundrechtsverletzungen geschaffene Gericht. 

Auf Lebenszeit bestellt

Der Präsident des Reichsgerichts und sein Stellvertreter wurden vom Kaiser ohne Vorschlag, die zwölf Mitglieder und vier Ersatzmänner zu gleichen Teilen auf Grund von Dreiervorschlägen der beiden Häuser des Reichsrats ernannt. Abgesehen vom Erfordernis einer nicht spezifizierten Sachkunde war eine weitere Qualifikation für die Mitglieder des Reichsgerichts nicht vorgesehen. Unvereinbarkeitsbestimmungen fehlten. Die Mitglieder des Reichsgerichts wurden auf Lebenszeit bestellt. Das Reichsgericht kannte bereits die Funktion der so genannten ständigen Referenten, die das Gericht aus seiner Mitte für die Dauer von drei Jahren wählte. Dem Vorsitzenden des Reichsgerichts kam ein Stimmrecht grundsätzlich nicht zu; nur bei Stimmengleichheit hatte auch er seine Stimme abzugeben.  

Letzter Präsident des Reichsgerichts: Karl von Grabmayr

Letzter Präsident des Reichsgerichts war der Tiroler Rechtsanwalt und ehemalige Abgeordnete zum Abgeordnetenhaus  Karl von Grabmayr. Grabmayr wurde 1919 zum Präsidenten des (deutschösterreichischen) Verwaltungsgerichtshofes ernannt. 

Der (deutschösterreichische) Verfassungsgerichtshof als Nachfolger

Nach dem Zusammenbruch der Monarchie und der Entstehung der Republik Deutschösterreich vorerst in den Rechtsbestand des neuen Staates übernommen, war das Reichsgericht doch eine Institution in Abwicklung. Das Gericht war von den ersten Gesetzesbeschlüssen der Provisorischen Nationalversammlung nicht direkt betroffen, stellte seine Arbeit aber im Dezember 1918 ein. Mit Gesetz vom 25. Jänner 1919 wurden die "dem ehemaligen österreichischen Reichsgerichte zugewiesenen Aufgaben" dem neu errichteten deutschösterreichischen Verfassungsgerichtshof übertragen. Am 24. Februar 1919 erfolgte schließlich die offizielle Amtsübergabe des Präsidenten des ehemaligen Reichsgerichts, Karl von Grabmayr, an den Präsidenten des neuen Verfassungsgerichtshofes, Paul von Vittorelli, der bereits dem alten Reichsgericht angehört hatte.

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