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Verhängung hoher Geldstrafen durch die Finanzmarktaufsicht ist nicht verfassungswidrig

05.01.2018G 408/2016 ua

Der VfGH hält die bisherige Judikatur zur Abgrenzung des gerichtlichen und des Verwaltungsstrafrechts nicht aufrecht.

Der Verfassungsgerichtshof hat Anträge des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) auf Aufhebung von Bestimmungen des Bankwesengesetzes (BWG) abgewiesen. Beim BVwG sind Beschwerden mehrerer Kreditinstitute gegen von der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) verhängte hohe Geldstrafen anhängig. Nach Ansicht des BVwG reiche der vom BWG in diesen Fällen vorgesehene Strafrahmen von bis zu mehreren Millionen Euro in den Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit und sei daher verfassungswidrig. Der VfGH folgte diesen Bedenken in seiner Entscheidung vom 13. Dezember 2017 nicht und änderte damit ausdrücklich seine Judikatur in diesem Bereich. Die bisherige Grenzziehung zwischen dem gerichtlichen Strafrecht und dem Verwaltungsstrafrecht wird der „Vielfalt an möglichen Sachverhalten nicht (mehr) gerecht“.

Die Höhe der angedrohten Sanktion erweist sich „im Ergebnis als kein taugliches Mittel für die Abgrenzung des gerichtlichen Strafrechts und des Verwaltungsstrafrechts“, wie der Gerichtshof, der zu dieser Frage am 3. Oktober 2017 auch eine  öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt hat, wörtlich festhält.

Die Richterinnen und Richter nennen mehrere Gründe für diese neue Linie: Es „überzeugt nicht, dass die Zuständigkeitsabgrenzung ausschließlich nach dem Kriterium der Strafdrohung zu erfolgen hat“. Diese Zuordnung allein durch die Obergrenze der Geldstrafe lässt zudem die unterschiedliche Funktion der Geldstrafe im gerichtlichen und im Verwaltungsstrafrecht sowie die mit ihrer Verhängung jeweils einhergehenden Folgen außer Acht.

Drittens werden die Unterschiede zwischen juristischen und natürlichen sowie zwischen vermögenden und weniger vermögenden Personen nicht berücksichtigt. Die Abgrenzung nur anhand des Strafrahmens bietet daher „letztlich nur ein unzureichendes Urteil über die ‚Schwere‘ einer Strafe“. Schließlich werden in der bisherigen Rechtsprechung die vom Gesetzgeber mit der Zuordnung zu verschiedenen Bereichen verbundenen rechtspolitischen Zielsetzungen nicht zureichend berücksichtigt.

Die neue Judikatur wird außerdem mit der Einführung der Verwaltungsgerichte begründet, die seit dem Jahr 2014 tätig und auch für die Beschwerden gegen Entscheidungen der FMA zuständig sind. Die Mitglieder dieser Verwaltungsgerichte sind im Gegensatz zu denen der früheren Unabhängigen Verwaltungssenate mit richterlichen Garantien ausgestattet.

In den vorliegenden Fällen ist der Gesetzgeber daher „nicht verpflichtet […], Verfahren über die Verhängung der in § 99d BWG angedrohten Geldstrafen angesichts deren spezifischer Funktion im gerichtlichen Strafrecht und im Verwaltungsstrafrecht in die Zuständigkeit der ordentlichen (Straf-)Gerichte zu übertragen“. 

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