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Justizministerin muss dem U-Ausschuss das „Ibiza-Video“ vollständig vorlegen

04.12.2020

Die von der Bundesministerin bislang vorgebrachten Gründe berechtigen sie nicht, die Vorlage abzulehnen

Die Bundesministerin für Justiz ist verpflichtet, dem Ibiza-Untersuchungsausschuss das „Ibiza-Video“ und die dazugehörigen Transkripte im Umfang des Untersuchungsgegenstandes unabgedeckt (ungeschwärzt) vorzulegen. Dies hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) in einem heute zugestellten Erkenntnis entschieden. 

Gemäß Art. 53 Abs. 3 B-VG sind unter anderem alle Organe des Bundes verpflichtet, einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen ihre Akten und Unterlagen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung vorzulegen. 

Ob für einen U-Ausschuss angeforderte Akten oder Unterlagen vom Gegenstand der Untersuchung umfasst sind, hat zunächst das vorlagepflichtige Organ zu beurteilen. Dieses kann die Vorlage mit der Behauptung verweigern, dass die betreffenden Akten oder Unterlagen für den Gegenstand der Untersuchung nicht einmal abstrakt relevant sein können. Eine solche Behauptung wäre dem U-Ausschuss gegenüber im Einzelnen zu begründen. Dieser Behauptungs- und Begründungspflicht ist die Justizministerin dem U-Ausschuss gegenüber – bislang – nicht nachgekommen.

Konsultationsverfahren über Rücksichtnahme auf Strafverfolgung möglich 

Das Video sowie die Transkripte waren mit mehreren Abdeckungen (Schwärzungen) vorgelegt worden. Die betreffenden Passagen seien nämlich – so ein Aktenstück der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft – geeignet,  Persönlichkeits­rechte zu verletzen oder allfällige Ermittlungen zu gefährden, bzw. sei das Material für das strafrechtliche Ermittlungs­verfahren nicht relevant und daher auch nicht Teil des Ermittlungsaktes der zuständigen Staatsanwaltschaft. 

Der Umstand, dass die abgedeckten (geschwärzten) Passagen nicht formal zum Ermittlungsakt der zuständigen Staatsanwaltschaft genommen worden sind, rechtfertigt es jedoch nicht, die Vorlage dieser Unterlagen an den U‑Ausschuss abzulehnen. 

Die Entscheidung des VfGH hindert die Bundesministerin für Justiz nicht, vom Vorsitzenden des U-Ausschusses die Aufnahme eines Konsultationsverfahrens zu verlangen. Im Rahmen eines solchen Verfahrens kann schriftlich unter anderem vereinbart werden, dass bei der Vorlage von Akten und Unterlagen auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden durch „geeignete Maßnahmen“ Rücksicht genommen wird (§ 58 Abs. 4 der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungs­ausschüsse). Bei Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit einer solchen Vereinbarung können sowohl die Bundesministerin als auch der U-Ausschuss den VfGH anrufen (Art. 138b Abs. 1 Z 6 B-VG). 

(UA 3/2020)

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