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Das zinsenlose Kreditmoratorium im Jahr 2020 war verfassungskonform

30.12.2022

Regelung war im öffentlichen Interesse – Weitere VfGH-Entscheidung betrifft Trennung von Werbung und Programm im TV

Das zinsenlose Kreditmoratorium für (Klein‑)Kreditverträge im Jahr 2020 war nicht verfassungswidrig. Der VfGH hat den von 403 Banken eingebrachten Antrag auf Aufhebung einer Bestimmung des 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetzes in seinen jüngsten Beratungen abgewiesen; die Entscheidung wurde heute den Verfahrensparteien zugestellt.

Die von den Kreditgebern angefochtene Bestimmung sah für bestimmte Verbraucherkreditverträge vor, dass Rück- und Zinszahlungen gestundet werden, wenn der Kreditnehmer wegen der Corona-Pandemie Einkommensverluste hat, die solche Zahlungen unzumutbar machen (§ 2 Abs. 6 zweiter Satz 2. COVID-19-JuBG). Ein zunächst dreimonatiges Moratorium ab April 2020 wurde auf sieben und schließlich auf insgesamt zehn Monate verlängert. Der OGH entschied im Dezember 2021, dass die Kreditgeber für die Dauer des Moratoriums auch keine Sollzinsen verrechnen dürfen; die Kreditverträge mussten also unentgeltlich verlängert werden.

Der VfGH betont, dass bereits das – von den antragstellenden Kreditinstituten nicht angefochtene – gesetzliche Kreditmoratorium und die dadurch bewirkte Verlängerung der Kreditlaufzeiten einen erheblichen Eingriff in die Privatautonomie und damit in das Eigentumsrecht der Kreditinstitute bedeuten. Dies gilt umso mehr für die Anordnung, dass die Kosten für dieses Moratorium einseitig und pauschal von den Kreditinstituten zu tragen sind.

Die angefochtene Regelung diente allerdings einem im öffentlichen Interesse liegenden Ziel und war auch geeignet, dieses Ziel zu erreichen: Sie verschaffte den begünstigten Kreditnehmern Zeit, Mittel für die Rückzahlung bereitzustellen. Die Kreditgeber waren auch nur unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, das Moratorium zu gewähren. Die mündliche Verhandlung vor dem VfGH ergab jedoch, dass die meisten Kreditinstitute gar nicht überprüft hatten, ob diese Voraussetzungen im Einzelfall vorlagen. Dazu kommt, dass es auch ohne das gesetzliche Moratorium fraglich gewesen wäre, ob die erfassten Kreditnehmer in der Lage gewesen wären, ihre Verpflichtungen aus den Kreditverträgen zu erfüllen. Diese Gesichtspunkte können den Eingriff in das Grundrecht auf Eigentum relativieren.

Der VfGH sieht einen weiteren Grund dafür, dass es gerechtfertigt ist, dass die Kreditinstitute die Kosten für das zinsenlose Moratorium tragen: Die EZB hat zahlreiche geldpolitische und auch bankaufsichtsrechtliche Maßnahmen gesetzt, um die Folgen der COVID-19-Pandemie für die Kreditinstitute und die Realwirtschaft zu mildern. Vor diesem Hintergrund, insbesondere im Hinblick auf die äußerst günstigen Refinanzierungsangebote, die auch den antragstellenden Kreditinstituten zugutekommen konnten, war es sachlich gerechtfertigt, die Kosten des Kreditmoratoriums den Kreditinstituten aufzuerlegen.

Die angefochtene Regelung verstößt daher weder gegen das Grundrecht auf Eigentum noch gegen den Gleichheitsgrundsatz.

(G 174/2022) 

„oe24 TV“ vermischte Werbung und Programm

Der Betreiber des Satellitenfernsehprogramms „oe24 TV“ hat in zwei Sendungen gegen das Gebot der Trennung von Fernsehwerbung und anderen Sendungs- und Programmteilen bzw. das Verbot der Schleichwerbung nach dem Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz verstoßen (§ 43 Abs. 2 bzw. § 31 Abs. 2 AMD-G). Indem der VfGH Beschwerden des TV-Senders abgewiesen hat, bestätigt er frühere Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) und auch der Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria). Anders als „oe24 TV“ in seinen Beschwerden vorbrachte, liegt kein Verstoß gegen das Recht auf Medienfreiheit nach Art. 10 EMRK vor.

„Oe24 TV“ hatte 2017 in der Sendungsrubrik „Star des Tages“ zunächst Teile eines neuen Werbespots gezeigt, in dem eine bekannte Person vorkommt. Im Anschluss wurde, nach einer entsprechenden Ankündigung der Moderatorin, der Spot unkommentiert zur Gänze ausgestrahlt. Das BVwG entschied 2022, dass dies gegen das Gebot der Trennung von Fernsehwerbung und anderen Sendungsteilen nach dem Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz (§ 43 Abs. 2 AMD-G) verstoßen habe.

Eine zweite Beschwerde von „oe24 TV“ betraf eine im April 2020 ausgestrahlte Sendung, die einen Beitrag über einen Handelsbetrieb enthielt, der Atemschutzmasken verkaufte. In diesem Fall stellte das BVwG fest, dass es sich bei diesem Beitrag um Schleichwerbung gehandelt habe, die nach § 31 Abs. 2 AMD-G untersagt sei. Der VfGH stellt nun fest, dass werberechtliche Regelungen wie jene im AMD-Gesetz eine zulässige Einschränkung der Medienfreiheit im Sinne von Art. 10 Abs. 2 EMRK sind; dies trägt zur Gestaltungsfreiheit der redaktionellen Berichterstattung gegenüber wirtschaftlicher Einflussnahme bei und sichert auch die Glaubwürdigkeit von Massenmedien.

Das BVwG hatte geprüft, ob es in den Sendungen Darstellungen gab, für die üblicherweise Entgelt zu leisten wäre (und nicht nur, ob tatsächlich für die Beiträge bezahlt wurde). In seinen – notwendigen – Einzelfallbeurteilungen hat das BVwG die Regelungen über das Gebot zur Trennung und das Verbot von Schleichwerbung jedoch innerhalb des Rahmens der EMRK angewendet, so der VfGH.

Das werberechtliche Trennungsgebot und das Verbot der Schleichwerbung verstoßen auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Dieser steht unterschiedlichen Regelungen für Werbung in audiovisueller Kommunikation und in traditionellen Printmedien nicht entgegen.

(E 992/2022, E 1265/2022)

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