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VfGH-Oktober-Session 2019: Sozialversicherungs-Organisationsreform, Gastronomie-Rauchverbot und Sicherheitspaket auf der Agenda

19.09.2019

Beratungen beginnen am 23. September. Rund 50 teils sehr umfangreiche Fälle auf dem Programm des Plenums.

Die Beratungen des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) im Rahmen der Oktober-Session beginnen am 23. September 2019. Rund 50 teils sehr umfangreiche Fälle stehen auf dem Programm des Plenums, über 500 Verfahren werden voraussichtlich in Kleiner Besetzung von fünf Richtern entschieden. Die Aufnahme von Fällen auf die Tagesordnung bedeutet nicht automatisch, dass diese Fälle auch in dieser Session entschieden werden. In einer Reihe von Fällen wird das Verfahren in der nächsten Session im November oder Dezember fortgesetzt und erst dann endgültig entschieden. Bis zum Abschluss der Beratungen kann keine Aussage über die Art der Erledigung getroffen werden.

Öffentliche Verhandlung zu SV-Reform am 8. Oktober

Gegen die im Dezember 2018 verabschiedete Organisationsreform der österreichischen Sozialversicherung wurden beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) bisher insgesamt vierzehn Anträge auf Gesetzesprüfung eingebracht. Antragsteller sind die SPÖ-Bundesratsfraktion, die Kärntner, Oberösterreichische, Steiermärkische und Tiroler Gebietskrankenkasse, die Betriebskrankenkassen voestalpine Bahnsysteme, Kapfenberg, Zeltweg und Mondi, die Arbeiterkammern Wien, Tirol und Vorarlberg sowie die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, der Betriebsrat der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse, der Österreichische Seniorenrat, das Landesgericht Linz als Arbeits- und Sozialgericht, mehrere Versicherte sowie 113 Mitglieder der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, die als Versicherungsvertreter in die Verwaltungskörper von Sozialversicherungsträgern entsendet worden sind.

Die Anträge richten sich insbesondere gegen die Vereinigung der Gebietskrankenkassen und der Betriebskrankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse. Die Antragsteller sehen darin einen Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Selbstverwaltung.

Die Beratungen der Oktober-Session 2019 des VfGH beginnen am 23. September 2019. Am Dienstag, 8. Oktober 2019, 10.00 Uhr, findet zum Themenkomplex „Sozialversicherungs-Organisations­reform“ eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Eine allfällige Fortsetzung ist für Mittwoch, 9. Oktober, 9.00 Uhr, in Aussicht genommen. Medienvertreterinnen und ‑vertreter werden für den Fall einer Teilnahme an der Verhandlung um ein kurzes Aviso an mediensprecher@vfgh.gv.at ersucht. Zu Beginn der Verhandlung sind die Vertreterinnen und Vertreter der Medien zu Foto- und Videoaufnahmen eingeladen.  

(G 67-71/2019, G 78-81/2019, G 82-86/2019, G 89-93/2019, G 99-101/2019, G 158/2019, G 113, 116/2019, G 119-120/2019, G 140/2019, G 141/2019, G 177/2019, G 191-193/2019) 

„Sicherheitspaket“ wird weiter beraten

Gegen das im April 2018 verabschiedete „Sicherheitspaket“ hatten 61 SPÖ- und NEOS-Abgeordnete zum Nationalrat den VfGH angerufen. Der Abgeordnetenantrag war bereits in der Juni-Session vom VfGH beraten sowie öffentlich verhandelt worden und wendet sich gegen mehrere unter der Bezeichnung „Sicherheitspaket" im Jahr 2018 eingeführte Maßnahmen. Dazu zählen die Ermittlung und Speicherung von (Bild‑)Daten von Fahrzeugen und Fahrzeuglenkern durch Sicherheitsbehörden (§ 54 Abs. 4b Sicherheitspolizeigesetz), die Übermittlung und Speicherung von (Bild‑)Daten von Fahrzeugen und Fahrzeuglenkern aus Section-Control-Anlagen an bzw. durch Sicherheitsbehörden (§ 98a Abs. 2 Straßenverkehrsordnung 1960), die Überwachung verschlüsselter Nachrichten durch Installation eines Programms („Bundestrojaner") in einem Computersystem ohne Wissen des Betroffenen (§ 135a Strafprozeßordnung 1975) und das Eindringen in und die Durchsuchung von Wohnungen zum Zweck der Installation eines Programms zur Überwachung verschlüsselter Nachrichten (§ 135a Abs. 3 Strafprozeßordnung 1975).

Nach Ansicht der antragstellenden Abgeordneten seien die angefochtenen Bestimmungen unverhältnismäßig und würden gegen mehrere Grundrechte, vor allem gegen das Recht auf Datenschutz und das Recht auf Achtung des Privatlebens, verstoßen: Überdies sei die Ermittlung von Daten durch Einsatz von bildverarbeitenden technischen Einrichtungen (Kameras) ohne konkreten Anlass als (Wieder‑)Einführung einer Vorratsdatenspeicherung zu werten.

Die geheime Überwachung verschlüsselter Nachrichten ist auch Gegenstand eines von der SPÖ-Bundesratsfraktion Ende Juli 2019 (neuerlich) eingebrachten Antrages. Dieser wird gemeinsam mit dem Antrag der Nationalratsabgeordneten beraten.

(G 72-74/2019, G 181,182/2019)  

Rauchverbot – „Nachtgastronomen“ sehen Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt

Mehrere Besitzer von Nachtlokalen wenden sich gegen das vom Nationalrat im Juli 2019 (wieder) beschlossene absolute Rauchverbot in der Gastronomie ab 1. November 2019 an den Verfassungsgerichtshof. In ihrem Individualantrag wollen sie die „Nachtgastronomie“ von den übrigen Lokalen unterschieden wissen: Unterschiede im Tatsächlichen (so etwa die unterschiedliche Alters- und Gästestruktur sowie abweichendes Nutzungsverhalten) ließen es – so die Antragsteller – nicht zu, die Nachtgastronomie mit der Speisegastronomie gleichzusetzen. Ein absolutes Rauchverbot würde zudem zu einer erhöhten Belästigung der Nachbarn (Anrainer) durch vor Nachtlokalen rauchende Gäste führen, woraus sich in der Folge weitere Beschränkungen des Betriebs solcher Lokale ergeben könnten. 

(G 189/2019)  

Sozialhilfe-Grundsatzgesetz: Antrag von 21 SPÖ-Bundesrats-Mitgliedern

Gegen das im Frühjahr 2019 verabschiedete Sozialhilfe-Grundsatzgesetz wendet sich ein Antrag von 21 SPÖ-Mitgliedern des Bundesrates. Nach Ansicht der antragstellenden Parlamentarier verstoßen mehrere Bestimmungen dieses Grundsatzgesetzes gegen den Gleichheitssatz, das Legalitätsprinzip sowie – wegen ihres hohen Detaillierungsgrades – gegen das „Wesen“ eines Grundsatzgesetzes, so insbesondere die Bestimmungen über die Deckelung des Bezugs von Sozialhilfe, die degressive Kürzung der Sozialhilfe bei Bezugsberechtigten, die in Haushaltsgemeinschaften leben, sowie die vorgeschriebene Kürzung der Sozialhilfe bei Bezugsberechtigten, die am österreichischen Arbeitsmarkt nicht vermittelbar sind.

(G 164, 171/2019)  

Akteneinsicht versus Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen

Auf der Tagesordnung der Session steht auch eine Beschwerde des ORF, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Ein privater Rundfunkveranstalter hatte bei der KommAustria Beschwerde gegen den ORF erhoben und darin die Feststellung beantragt, dass der ORF durch den Erwerb der Übertragungsrechte für die Spiele der UEFA Champions League gegen das ORF-Gesetz verstoßen habe. Die KommAustria wies diesen Antrag ab; dies nachdem sie dem beschwerdeführenden Rundfunkveranstalter die vom ORF vorgelegten, als vertraulich gekennzeichneten Unterlagen zur Kenntnis gebracht hatte. Diese Unterlagen hätten – so der ORF – Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten, deren Weitergabe den ORF in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt habe. Dadurch, dass das gegen die Entscheidung der KommAustria angerufene Bundesverwaltungsgericht diese Rechtsverletzung nicht aufgegriffen habe, sei der ORF im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

 (E 1025/2018)  

Adelszeichen „von“: Karl Habsburg-Lothringen wendet sich gegen Verwaltungsstrafe

Karl Habsburg-Lothringen wurde schuldig erkannt, durch Führung des Adelszeichens „von“ auf der Homepage http://www.karlvonhabsburg.at/ gegen das Adelsaufhebungsgesetz vom 3. April 1919 verstoßen zu haben. Das gegen den Strafbescheid des Magistrates der Stadt Wien angerufene Verwaltungsgericht Wien sah von der Verhängung einer Geldstrafe ab, weil es den – noch in Kronen ausgedrückten – Strafsatz als unanwendbar erachtete. In seiner Beschwerde an den VfGH wendet sich Habsburg-Lothringen sowohl gegen den vom Verwaltungsgericht bestätigten Schuldspruch als auch gegen das Adelsaufhebungsgesetz selbst.

 (E 1851/2019)  

Meinungsäußerungsfreiheit: Linzer Plakatierungsverordnung aus 1983 auf dem Prüfstand

Im Gebiet der Stadt Linz unterliegt das Anschlagen von Druckwerken an öffentlichen Orten (Plakatieren) weitreichenden Beschränkungen, die durch Verordnung der (damaligen) Bundespolizeidirektion Linz vom 1. Februar 1983 eingeführt wurden. Der VfGH hegte im Februar 2019 in einem Prüfungsbeschluss das Bedenken, dass diese Beschränkungen über das hinausgehen, was zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung erforderlich ist, und daher gegen die verfassungsgesetzlich gewährleistete Freiheit der Meinungsäußerung verstoßen.

(V 20/2019)

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