Navigation öffnen
Inhalt

Verfassungsgerichtshof berät über Ehe für gleichgeschlechtliche Paare und Mindestsicherung

23.11.2017

Außerdem am Programm der Dezembersession: Zulässigkeit hoher Verwaltungsstrafen und Klubbildung im Nationalrat (Pilz ua).

Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes sind zur letzten Session des laufenden Jahres zusammengetreten. Auf dem Programm stehen ua die Gesetzesprüfung zum Ausschluss gleichgeschlechtlicher Paare von der Ehe und mehrere Rechtssachen im Zusammenhang mit der Bedarfsorientierten Mindestsicherung. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat die Aufhebung von Bestimmungen des nö. Mindestsicherungsgesetzes beantragt. Dabei geht es um die betragsmäßige Deckelung der Leistungen, wenn mehrere Personen in einem Haushalt leben, sowie eine Wartefrist. Der Vorarlberger Landesvolksanwalt geht gegen Bestimmungen in der Vorarlberger Mindestsicherungsverordnung vor.

Die Session dauert bis 15. Dezember 2017. Vorerst ist keine mündliche Verhandlung vorgesehen.

Die Aufnahme von Fällen auf die Tagesordnung bedeutet nicht automatisch, dass diese Fälle auch in dieser Session entschieden werden. Wenn noch Fragen geklärt werden müssen, ist eine Verschiebung in die nächste Session möglich. Vor Beginn der Beratungen kann außerdem keine Aussage über die Art der Erledigung getroffen werden.

Ist der Ausschluss gleichgeschlechtlicher Paare von der Ehe verfassungskonform?

Der Verfassungsgerichtshof führt eine amtswegige Prüfung jener gesetzlichen Bestimmungen durch, die für heterosexuelle Paare die Ehe und für homosexuelle Paare die eingetragene Partnerschaft vorsehen. Rechtlich sind gleichgeschlechtliche Paare verschiedengeschlechtlichen weitgehend gleichgestellt, bis hin zur gemeinsamen Elternschaft. Dennoch bestehen unterschiedliche Rechtsinstitute. Auch „vor dem Hintergrund einer bis in die jüngste Vergangenheit reichenden rechtlichen und gesellschaftlichen Diskriminierung von Personen gleichgeschlechtlicher sexueller Orientierung“ hat der VfGH laut  seinem Prüfungsbeschluss Bedenken, dass diese Differenzierung eine unzulässige Diskriminierung im Hinblick auf ihre sexuelle Orientierung darstellt.

Konkret prüft der VfGH die Wortfolge „verschiedenen Geschlechts“ in § 44 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) sowie das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz (EPG) zur Gänze. Anlass des Verfahrens ist die Beschwerde von zwei Frauen, die in eingetragener Partnerschaft leben und die Zulassung zur Begründung einer Ehe beantragt haben. Dieser Antrag wurde vom Magistrat der Stadt Wien und in der Folge vom Verwaltungsgericht Wien abgelehnt.

Sind eine „Deckelung“ und eine Wartefrist bei der Mindestsicherung verfassungskonform?

Das niederösterreichische Mindestsicherungsgesetz sieht seit 1. Jänner 2017 eine Wartefrist vor. Wer sich nicht mindestens fünf der vergangenen sechs Jahre in Österreich aufgehalten hat, kann statt der Mindestsicherung nur eine geringere Leistung gemäß den „Mindeststandards – Integration“ beziehen.

Außerdem ist eine Deckelung eingeführt worden: Leben mehrere Personen in einem Haushalt bzw. einer Wohngemeinschaft, dürfen sie zusammen höchstens € 1.500,– aus der Mindestsicherung beziehen. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat aus Anlass mehrerer Beschwerden gegen Bescheide, die auf diesen Bestimmungen basieren, beim VfGH die Aufhebung dieser Bestimmungen beantragt. Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes verstoßen die Wartefrist und die Deckelung ua gegen das Gebot der Gleichbehandlung und der Sachlichkeit.

Der Landesvolksanwalt von Vorarlberg beantragt die Aufhebung von Bestimmungen der Vorarlberger Mindestsicherungsverordnung, die seit 1. Juli 2017 in Kraft sind. Dabei geht es ua um pauschale Höchstsätze für die Deckung des Wohnbedarfs.

ÖVP Burgenland bekämpft mit „Drittelantrag“ Bestimmungen des Jagdgesetzes

Zwölf Abgeordnete des burgenländischen Landtags (11 ÖVP, 1 parteifrei) haben beim Verfassungsgerichtshof beantragt, Bestimmungen des burgenländischen Jagdgesetzes über den Beitrag der Jagdgenossenschaften (und damit der Grundeigentümer) zur Wildschadensverhütung sowie über die Zusammensetzung des Vorstandes des Landesjagdverbandes als verfassungswidrig aufzuheben. Die Kritik richtet sich in erster Linie gegen die Verpflichtung, zehn Prozent der Jagdpacht für die Vorbeugung von Wildschäden oder für „lebensraumverbessernde Maßnahmen“ zu verwenden. Die Antragsteller sehen in dieser Regelung einen unverhältnismäßigen Eingriff in das  Recht auf Eigentum – dies umso mehr, als die Regelung auch für bestehende Pachtverträge gelten soll, ohne dass die Jagdgenossenschaft die Pacht einseitig erhöhen könnte. Ebenfalls angefochten wird die Regelung, dass die Landesregierung zwei Mitglieder ohne Stimmrecht in den Vorstand des Landesjagdverbandes entsenden kann. Die Antragsteller sehen dadurch Verfassungsbestimmungen über die Zusammensetzung der Organe von Selbstverwaltungskörpern verletzt.

Listengründer Peter Pilz und vier weitere Antragsteller fordern ein Recht auf nachträgliche Klubbildung im Nationalrat

Am 8. September 2017 wurde von Listengründer Peter Pilz und vier weiteren Abgeordneten zum Nationalrat der XXV. Gesetzgebungsperiode (2013-2017) ein Individualantrag gestellt, die Regelung der Nationalrats-Geschäftsordnung (GOG-NR) über die Klubbildung für verfassungswidrig zu erklären. § 7 GOG-NR sieht vor, dass die Klubbildung nur am Beginn einer Gesetzgebungsperiode, spätestens einen Monat nach der Konstituierung des neuen Nationalrates, zulässig ist. Nach Ansicht der Antragsteller widerspricht diese Beschränkung dem demokratischen Prinzip der Bundesverfassung und ist gleichheitswidrig.

Verletzt das Polizeiliche Staatsschutzgesetz die Grundrechte?

61 teils ehemalige Nationalratsabgeordnete von Freiheitlichen und Grünen haben beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung des Polizeilichen Staatsschutzgesetzes eingebracht. Sie sehen durch das Staatsschutzgesetz und damit zusammenhängende Regelungen im Sicherheitspolizeigesetz Grundrechte verletzt.

Der Nationalrat hat das Polizeiliche Staatsschutzgesetz, das die Arbeit des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung neu regelt, im Jänner 2016 beschlossen. Ein Drittel der Abgeordneten des Nationalrats (mindestens 61) kann beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung von Gesetzen wegen Verfassungswidrigkeit verlangen.

Der Verfassungsgerichtshof hat bereits im Juni und im Oktober 2017 über das Staatsschutzgesetz beraten, konnte bisher aber keine Entscheidung treffen.

Wie hoch dürfen Verwaltungsstrafen sein?

Das Bundesverwaltungsgericht hat beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung von Bestimmungen des Bankwesengesetzes beantragt. Hintergrund ist eine von der Finanzmarktaufsicht (FMA) gegen ein Kreditinstitut verhängte Strafe von € 953.700,–. Die Höchststrafe laut BWG (zehn Prozent des jährlichen Gesamtnettoumsatzes) hätte im konkreten Fall sogar mehr als drei Millionen Euro betragen. Strafen in dieser Höhe fallen nach Ansicht des BVwG aber in den „Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit“. Das BVwG hat daher Bedenken, ob eine Verwaltungsbehörde wie die FMA mit einer derartigen Strafbefugnis ausgestattet sein darf – oder ob derartige Strafen nicht den ordentlichen Gerichten vorbehalten sein müssten.

Der Verfassungsgerichtshof hat in der Frage der Prüfung des Bankwesengesetzes am 3. Oktober 2017 eine öffentliche Verhandlung durchgeführt. Eine Entscheidung war in der Oktobersession aber noch nicht möglich.

VfGH berät über Wirtschaftskammerbeiträge der Holzindustrie in Oberösterreich

Dem Verfassungsgerichtshof liegen Anträge des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich auf Aufhebung eines Beschlusses der Fachgruppe Holzindustrie in der Wirtschaftskammer Oberösterreich betreffend die Grundumlage 2016 vor. Das Verwaltungsgericht ist ua der Auffassung, dass die Art der Berechnung der Umlage gleichheitswidrig sei. Anlass für die Anträge sind Beschwerden von drei Sägebetrieben gegen die jeweilige Vorschreibung der Grundumlage 2016.

Der Verfassungsgerichtshof hat zu den Anträgen betreffend die Kammerumlage am 9. Oktober 2017 eine öffentliche Verhandlung durchgeführt. Eine Entscheidung war in der Oktobersession aber noch nicht möglich.

Zum Seitenanfang