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VfGH berät unter anderem zu COVID-19 und Persönlichkeitsrechten

22.09.2021

Insgesamt werden in drei Wochen etwa 500 Fälle behandelt 

Der Verfassungsgerichtshof tritt heute, Mittwoch, zu Beratungen zusammen, die für drei Wochen anberaumt sind. Das Plenum des VfGH behandelt etwa 50 Fälle, etwa 450 weitere Fälle werden in Kleiner Besetzung beraten. Darunter sind auch wieder zahlreiche Anträge auf Gesetzes- bzw. Verordnungsprüfung, mit denen (Schutz‑)Maßnahmen gegen die COVID-19-Pandemie angefochten werden.  

COVID-19: Schichtbetrieb und MNS-Pflicht an Schulen im Frühjahr 2021 

Vom 26. April bis zum 14. Mai 2021 hatte der Unterricht an Mittelschulen, AHS-Unterstufen und Polytechnischen Schulen im Schichtbetrieb zu erfolgen. Zudem mussten alle Personen, die sich im Schulgebäude aufhalten, einen Mund-Nasen-Schutz tragen. 

Gegen diese Regelungen richtet sich der (Individual-)Antrag einer Schülerin, die im Frühjahr 2021 die 2. Klasse einer Neuen Mittelschule besucht hat. Sie sieht sich durch diese Beschränkungen in mehreren Grundrechten verletzt, insbesondere im Recht auf Bildung und im Recht auf geistige und körperliche Integrität.

(V 155/2021) 

COVID-19: Verbot, bei Schihütten Speisen abzuholen, unsachlich?  

In den Wintermonaten 2020/21 war die Abholung von Speisen und Getränken bei Schihütten untersagt, die für die Allgemeinheit nicht mit Kraftfahrzeugen über eine öffentliche Straße erreichbar sind. Diese Maßnahme sollte Menschenansammlungen im Nahbereich von Gaststätten in Schigebieten verhindern und damit die Ansteckungsgefahr mit COVID-19 verringern. 

Der Betreiber einer Schihütte auf der Wurzeralm in Oberösterreich, Stefan Stadlmayr, hält dieses Verbot für verfassungswidrig. Die dadurch bewirkte Schlechterstellung von Schihütten gegenüber anderen Gastgewerbebetrieben sei weder sachlich gerechtfertigt noch verhältnismäßig; die angefochtene Regelung verstoße daher sowohl gegen den Gleichheitsgrundsatz als auch gegen das Grundrecht auf Freiheit der Erwerbsausübung. 

(V 5/2021) 

Ibiza-UA: Christian Pilnacek bekämpft Weitergabe privater Chatprotokolle 

Der Sektionschef im Bundesministerium für Justiz Christian Pilnacek, der aktuell vom Dienst suspendiert ist, ist Beschuldigter in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Im Zuge der Ermittlungen wurde im Februar 2021 u.a. sein Mobiltelefon sichergestellt. Im März 2021 forderte der Ibiza-Untersuchungsausschuss die Bundesministerin für Justiz auf, dem Ausschuss „alle Akten und Unterlagen mit Bezug zum Untersuchungsgegenstand“ zu übermitteln. Diesem Ersuchen entsprach die Bundesministerin Ende Mai 2021; unter den übermittelten, als „vertraulich“ klassifizierten Daten waren auch die Chatprotokolle des Mobiltelefons. In der Folge berichteten mehrere Medien aus dem Inhalt dieser Chats.

In seiner gegen den U-Ausschuss gerichteten Beschwerde macht Pilnacek geltend, seine Persönlichkeitsrechte seien dadurch verletzt worden, dass die Chatprotokolle allen Mitgliedern des U-Ausschusses zur Verfügung gestellt und von diesen an Außenstehende bzw. (unmittelbar oder mittelbar) an Medien weitergegeben worden seien.

(UA 6/2021) 

Beschwerde gegen Suspendierung von der Funktion des Sektionschefs

Eine weitere Beschwerde von Sektionschef Pilnacek richtet sich gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 8. Juni 2021, mit dem Pilnacek vom Dienst suspendiert worden ist. In der Beschwerde wird argumentiert, dass die Beweise, auf die die Suspendierung gestützt wird, rechtswidrig, nämlich auf Grund verfassungswidriger Bestimmungen insbesondere der StPO und des Informationsordnungsgesetzes, erhoben worden seien.

(E 2773/2021) 

Strukturplan Gesundheit: VfGH prüft Verbindlichmachung durch Gesundheitsplanungs GmbH 

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg und das Verwaltungsgericht Wien sehen im Zusammenhang mit dem Strukturplan Gesundheit unter anderem einen Verstoß gegen die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern.  

Beim VfGH sind mehrere Verfahren anhängig, welche die 2017 eingeführte integrative Planung der österreichischen Gesundheitsversorgungsinfrastruktur betreffen. Als zentrale Planungsinstrumente dienen dabei der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG) und die Regionalen Strukturpläne Gesundheit (RSG): Der ÖSG ist zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherungsträgern abzustimmen, die RSG zwischen Ländern und Sozialversicherungsträgern.  

Beide Pläne enthalten Vorgaben für Versorgungskapazitäten im Gesundheitsbereich. Diese Vorgaben sind so konkret zu formulieren, dass sie als Entscheidungsgrundlage dienen können, wenn der Bedarf an neuen Gesundheitseinrichtungen wie zB selbständigen Ambulatorien geprüft wird.

Gewisse Teile des ÖSG und der RSG sind für verbindlich zu erklären. Dies erfolgt durch Verordnung der Gesundheitsplanungs GmbH, deren Gesellschafter der Bund, die Länder und der Dachverband der Sozialversicherungsträger sind.  

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg und das Verwaltungsgericht Wien halten diese Konstruktion aus mehreren Gründen für verfassungswidrig; insbesondere sehen sie darin einen Verstoß gegen die bundesstaatliche Kompetenzverteilung sowie gegen Grundsätze der Staatsorganisation. Die in Rede stehenden Strukturpläne betreffen nämlich Angelegenheiten, für die teilweise der Bund („Gesundheitswesen“) und teilweise die Länder („Krankenanstalten“) zuständig sind. Die gemeinsame Wahrnehmung dieser Zuständigkeiten durch eine Stelle sei mit dem Grundsatz der Trennung von Bundes- und Landesverwaltung nicht vereinbar.  

(V 46/2019 u.a. Zlen.)

  

Der VfGH führt auch die Beratungen über einige Gesetzesprüfungsverfahren und Anträge fort, die bereits im Juni erörtert wurden. Dazu gehören:  

Betretungsverbot für Kultureinrichtungen 

Die 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung vom 5. Februar 2021 sah u.a. vor, dass Kultureinrichtungen nicht betreten werden dürfen; ebenso waren kulturelle Veranstaltungen untersagt. Gegen diese Regelungen richtet sich ein von mehreren Kulturschaffenden gemeinsam eingebrachter Antrag („Florestan“-Initiative). Darin wird vor allem geltend gemacht, dass die strengen Maßnahmen im Hinblick auf die bestehenden – erfolgreich umgesetzten – Präventionskonzepte unverhältnismäßig seien. Der Zweck, die Gesundheit und das Leben besonders verletzlicher Gruppen von Personen zu schützen, dürfe nicht dauerhaft mit Maßnahmen einhergehen, die eine Vielzahl von anderen Personen unverhältnismäßig belasten, wenn andere geeignete Maßnahmen zur Verfügung stehen. 

(V 86/2021) 

Prüfungsverfahren über Regelung zur Beschäftigung von Asylwerbern 

Aus Anlass der Beschwerde einer Spenglerei hatte der VfGH in der März-Session 2021 beschlossen, von Amts wegen ein Verordnungsprüfungsverfahren zu einem Erlass von Bundesministerin Beate Hartinger-Klein (BMASK) aus 2018 sowie zu einem Erlass von Bundesminister Martin Bartenstein (BMWA) aus 2004 einzuleiten. Aus diesen Erlässen folgte, dass Beschäftigungsbewilligungen für Asylwerbende nur bei befristeten Beschäftigungen in der Saisonarbeit oder der Erntehilfe erteilt werden dürfen. Im Juni hob der VfGH diese Bestimmungen als gesetzwidrig auf: Bei den Erlässen handelt es sich um Verordnungen, die im Bundesgesetzblatt kundgemacht hätten werden müssen.  

Im fortgesetzten Verfahren über die Beschwerde der Spenglerei sind im VfGH Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit einer Bestimmung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) entstanden. Der VfGH hat daher beschlossen, von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten. 

Gegenstand dieses Verfahrens ist die Regelung des § 4 Abs. 3 Z 1 AuslBG. Danach dürfen Beschäftigungsbewilligungen bei Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen nur erteilt werden, „wenn der Regionalbeirat die Erteilung einhellig befürwortet“. Die Regionalbeiräte bestehen aus dem Leiter der jeweiligen regionalen Geschäftsstelle des AMS und vier weiteren Mitgliedern, die auf Vorschlag der Wirtschaftskammer des jeweiligen Landes, der Industriellenvereinigung, der Arbeiterkammer des jeweiligen Landes und des Österreichischen Gewerkschaftsbundes bestellt werden. 

Über Anträge auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung entscheidet die regionale Geschäftsstelle des AMS. In seinem Beschluss vom Juni hatte der VfGH das Bedenken, dass die in Prüfung gezogene Regelung es dieser Behörde unmöglich machen dürfte, das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung selbst zu beurteilen. Der VfGH hatte auch das Bedenken, dass diese Konstruktion gegen Art. 130 B-VG vor dem Hintergrund des Systems der Bundesverfassung verstoßen dürfte. Im Gesetzesprüfungsverfahren hat der VfGH nun zu entscheiden, ob dies zutrifft, und bejahendenfalls die entsprechende gesetzliche Regelung in § 4 Abs. 3 AuslBG aufzuheben.

(E 2420/2020) 

Ibiza-UA: Persönlichkeitsrechte einer Auskunftsperson 

Die Unternehmerin Kathrin Glock hat beim VfGH eine Beschwerde wegen Verletzung in Persönlichkeitsrechten erhoben. Sie war im Juli 2020 sowie im Jänner 2021 vom Ibiza-U-Ausschuss als Auskunftsperson befragt worden und behauptet nun, durch Äußerungen, die ein Mitglied dieses Ausschusses gemacht hat, insbesondere im Recht auf Ehre und Schutz des wirtschaftlichen Rufes verletzt zu sein. 

(UA 2/2021)  

Heinz Schaden: Beschwerde gegen Benachteiligung pensionierter Politiker 

Im Juli 2017 verurteilte das Salzburger Landesgericht den ehemaligen Bürgermeister der Stadt Salzburg Heinz Schaden wegen des Verbrechens der Untreue. Daraufhin stellten die zuständigen Behörden fest, dass der für die Amtstätigkeit zuerkannte Ruhebezug wegen der rechtskräftigen Verurteilung von Gesetzes wegen erloschen sei. Die Ruhebezüge wurden im Sinne der Bestimmungen des ASVG neu bemessen. Diese Entscheidungen wurden vom Landesverwaltungsgericht Salzburg im Wesentlichen bestätigt.  

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird u.a. geltend gemacht, dass die Bestimmungen des Salzburger Bezügegesetzes 1992 in mehrfacher Hinsicht verfassungswidrig seien. So sei es sachlich nicht gerechtfertigt, dass ein pensionierter Politiker im Fall einer strafgerichtlichen Verurteilung wesentliche härtere pensionsrechtliche Nachteile erleide als ein aktiver Politiker oder ein aktiver Beamter.

(E 4496/2020)  

Sitzungsablauf  

Werden Fälle auf die Tagesordnung einer Session gesetzt, bedeutet dies nicht automatisch, dass diese Fälle auch in derselben Session entschieden werden. Wenn noch Fragen geklärt werden müssen, ist eine Verschiebung in eine spätere Session möglich.  

Der VfGH gibt seine Entscheidungen durch Zustellung an die Verfahrensparteien oder mündliche Verkündung bekannt. Bis dahin kann der VfGH keine Aussage über die Art der Erledigung eines Falles treffen.

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