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VfGH weist Antrag gegen Lockdown für Ungeimpfte Ende Jänner 2022 ab

06.05.2022

Kein Verstoß gegen Grundrechte und COVID-19-Maßnahmengesetz

Der Verfassungsgerichtshof hat den Antrag einer Oberösterreicherin, die sich gegen den – zweiten – Lockdown für Ungeimpfte wandte, als inhaltlich nicht begründet abgewiesen bzw. Teile davon als unzulässig zurückgewiesen. Konkret angefochten war die 6. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung in der Fassung der 7. Novelle (BGBl. II 24/2022), mit der für den Zeitraum 21. bis 30. Jänner 2022 Beschränkungen für Personen verlängert wurden, die weder gegen COVID-19 geimpft noch davon genesen waren und die damit über keinen 2G-Nachweis verfügten. (Über den ersten Lockdown für Ungeimpfte, der Inhalt der 5. COVID-19- Schutzmaßnahmenverordnung war, hat der VfGH bereits im März entschieden, siehe hier.) Der VfGH hat (auch) über diesen Antrag am 15. März 2022 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. 

Die Antragstellerin hatte u.a. geltend gemacht, dass die Hospitalisierungszahlen seit 6. Dezember 2021 zurückgegangen waren, die Ausgangsregelung daher aus epidemiologischen Gründen nicht erforderlich sei und damit sowohl gegen das COVID-19-Maßnahmengesetz als auch gegen Grundrechte verstoße.   

Rechte auf Freizügigkeit und Achtung des Privatlebens wurden nicht verletzt 

Entscheidungen über COVID-19-Maßnahmen müssen in Anbetracht sich rasch ändernder epidemiologischer Gegebenheiten und des bei neu auftretenden Infektionskrankheiten und Krankheitsvarianten vielfach unvollständigen Wissensstandes typischerweise unter hoher Unsicherheit getroffen werden. Die Behörde hat die Entwicklungen notwendigerweise im Voraus (ex ante) zu betrachten. Dass eine Maßnahme im Nachhinein (ex post) betrachtet auf Grund neuer Einsichten möglicherweise anders zu treffen wäre, macht die Entscheidung daher nicht gesetzwidrig. Gleichzeitig reicht die Kontrolle durch den VfGH deutlich über eine bloße Kontrolle im Hinblick auf evidente Fehleinschätzungen hinaus. Der VfGH überprüft vielmehr, wie tragfähig die dokumentierte Informationsbasis und wie nachvollziehbar die auf dieser Basis getroffenen Einschätzungen waren.  

Die angefochtene ganztägige Ausgangsregelung für Personen ohne einen 2G‑Nachweis in § 3 6. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung stellte einen intensiven Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freizügigkeit und auf Achtung des Privat- und Familienlebens dar.   

Dennoch wurden diese Grundrechte nicht verletzt. Die Zahl an COVID-19-Patienten auf den Intensivstationen war Ende Jänner 2022 zwar rückläufig; die Behörde hat aber zutreffenderweise die Verfügbarkeit weiterer Ressourcen und Kapazitäten im Gesundheitssystem in die Beurteilung einbezogen, ob eine Überlastung des Gesundheitssystems droht. Gerade im Hinblick auf die zum damaligen Zeitpunkt dominierende Omikron-Variante musste die Behörde nämlich damit rechnen, dass es im Gesundheitswesen auf Grund der hohen Zahl an gleichzeitig infizierten Personen zu weiteren Personalausfällen und damit zu einer kritischen Situation kommen würde. Hinzu kommt, dass die Behandlung und Betreuung von mit COVID-19 infizierten Patienten auf Normal- und Intensivstationen besonders personalintensiv ist. Der Gesundheitsminister ging daher nachvollziehbar davon aus, dass die Aufrechterhaltung der für Personen ohne 2G‑Nachweis geltenden Ausgangsregelung auch noch im Zeitraum vom 21. Jänner bis 30. Jänner 2022 unerlässlich war. 

Im Hinblick auf die von der Antragstellerin geltend gemachten Rechte auf Freizügigkeit und auf Achtung des Privat- und Familienlebens waren zudem zahlreiche Ausnahmen von der Ausgangsbeschränkung vorgesehen.  Die angefochtene Maßnahme war daher auch insgesamt verhältnismäßig.  

2G: Minister hat im Rahmen des Gesetzes gehandelt 

Die antragstellende Oberösterreicherin hatte auch Bedenken gegen die Verlängerung der 2G-Regel für den Zutritt zu Geschäften und zu nicht öffentlichen Sportstätten, z.B.  zu einem Fußballverein. Diese Beschränkungen seien weder notwendig noch verhältnismäßig, da es weniger schwerwiegendere, gelindere Mittel gebe, um das Infektionsgeschehen zu steuern.  

Die von der Antragstellerin als gelindere Mittel genannten Maßnahmen wie Abstandsregeln und eine FFP2-Maskenpflicht waren Ende Jänner 2022 allerdings bereits als zusätzliche Maßnahmen in Kraft. Diese allein hatten jedoch nicht ausgereicht, um dem Infektionsgeschehen Einhalt zu gebieten. Der Gesundheitsminister hat daher mit der Verlängerung der 2G‑Regel den Entscheidungsspielraum, den ihm das COVID-19-Maßnahmengesetz einräumt, nicht überschritten. Die vorgebrachten Bedenken trafen somit nicht zu. 

Keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes 

Die angefochtenen Bestimmungen verstießen auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Das COVID-19-Maßnahmengesetz ermächtigt den Gesundheitsminister unter anderem dazu, zwischen geimpften und ungeimpften Personen zu unterscheiden, wenn dies auf wissenschaftlich vertretbare Annahmen über signifikante Unterschiede der epidemiologischen Gefahr zurückgeführt werden kann, die von diesen Personen ausgeht. Im Verordnungsakt ist dokumentiert, dass es auch noch Ende Jänner 2022 einen deutlichen Unterschied bei der Zahl an Neuinfektionen je nach Impfstatus gab und dass wesentlich mehr ungeimpfte COVID-19-Patienten in den Spitälern behandelt werden mussten. Obwohl die Studienlage zu Omikron im Jänner 2022 noch nicht sehr breit und von Unsicherheiten geprägt war, stützte sich der Gesundheitsminister bei seiner Entscheidung auf eine Reihe internationaler Studien, auf deren Basis er davon ausgehen konnte, dass nicht immunisierte Personen auch in Bezug auf die zu diesem Zeitpunkt dominante Omikron-Variante deutlich stärker (wenn auch nicht mehr so ausgeprägt wie zuvor bei Delta) zum Infektionsgeschehen und zur Belastung auf den Krankenpflegestationen beitrugen als immunisierte Personen, die über einen 2G-Nachweis verfügten.  

Die angefochtenen Maßnahmen waren daher im Lichte der von der Antragstellerin geltend gemachten Bedenken nicht gesetzwidrig. 

(V 23/2022)

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