VfGH berät über den ORF-Beitrag, Volksbefragungen und das „Social Egg Freezing“
In den nächsten Wochen berät der Verfassungsgerichtshof über mehrere hundert Anträge und Beschwerden, darunter die folgenden:
Ist es verfassungswidrig, dass auch Haushalte ohne Nutzung des ORF den Beitrag bezahlen müssen?
Ein Beschwerdeführer hält das ORF-Beitrags-Gesetz 2024 in mehrfacher Hinsicht für verfassungswidrig. Seiner Ansicht nach widerspricht es dem Gleichheitsgrundsatz, dass Haushalte, in denen keine ORF-Inhalte genutzt werden, durch den ORF-Beitrag finanziell genauso belastet werden wie jene, die das Angebot des ORF sehr wohl nutzen. Auch sei das im ORF-Gesetz geregelte Verfahren zur Festlegung des ORF-Beitrags nicht eingehalten worden. Schließlich sei die ORF-Beitrags Service GmbH nicht befugt, die Höhe des Beitrags mit Bescheid festzusetzen.
Die ORF-Beitrags Service GmbH hatte dem Beschwerdeführer für Jänner bis März 2024 einen ORF-Beitrag von (insgesamt) 45,90 Euro vorgeschrieben. Eine Beschwerde gegen diese Vorschreibung beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) blieb erfolglos; diese Entscheidung ficht der Mann nun beim VfGH an.
Der VfGH hat im März dieses Jahres beschlossen, aufgrund der zu erwartenden hohen Zahl von Beschwerden gegen den ORF-Beitrag die Regelung für sogenannte „Massenverfahren“ anzuwenden (mehr dazu hier). Damit sind derzeit alle beim BVwG zum ORF-Beitrag anhängigen Verfahren unterbrochen.
(E 4624/2024)
Anfechtungen von Volksbefragungen in Waidhofen an der Thaya, in Kärnten und im Land Salzburg
In drei Verfahren wird das Ergebnis von Volksbefragungen angefochten.
Zwei Verfahren betreffen Volksbefragungen über die Errichtung und den Betrieb von Windkraftanlagen in Waidhofen an der Thaya und in Kärnten (W III 1/2024 und W III 1/2025).
In Waidhofen an der Thaya lautete die Fragestellung:
„Soll der Gemeinderat die erforderlichen Maßnahmen im eigenen Wirkungsbereich beschließen, damit drei bis maximal fünf Windräder auf dem Gemeindegebiet der Stadtgemeinde Waidhofen an der Thaya (Gebiet Predigtstuhl) errichtet und betrieben werden können?“
Die Kärntner Volksbefragung bezog sich auf folgende Fragestellung:
„Soll zum Schutz der Kärntner Natur (einschließlich des Landschaftsbildes) die Errichtung weiterer Windkraftanlagen auf Bergen und Almen in Kärnten landesgesetzlich verboten werden?“
Im dritten Fall geht es um eine Volksbefragung über die Erweiterung der Salzburger Lokalbahn bis Hallein (W III 2/2024). Diese in Teilen des Landes durchgeführte Volksbefragung betrifft folgende Fragestellung:
„Soll das Land Salzburg darauf hinwirken, dass im Interesse der Verkehrsentlastung die Verlängerung der Lokalbahn bis Hallein (S-LINK) als Teil einer Mobilitätslösung, die auch eine Stiegl- und eine Messe-/Flughafenbahn vorsieht, umgesetzt wird?“
Mehrere Stimmberechtigte haben diese drei Volksbefragungen jeweils mit der Begründung angefochten, dass die den Stimmberechtigten vorgelegte Fragestellung entgegen den gesetzlichen Vorgaben unklar bzw. unbestimmt gewesen sei.
Im Fall der Volksbefragung in Waidhofen an der Thaya hat der VfGH bereits mit Beschluss vom 18. September 2024 von Amts wegen ein Verfahren eingeleitet, in dem geprüft wird, ob die Anordnung dieser Volksbefragung durch den Gemeinderat Waidhofen gesetzmäßig war.
(V 99/2024)
Landesverwaltungsgericht Tirol wendet sich gegen Platzverbot bei Gabalier-Konzert in Ischgl
Das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) stellt beim VfGH den Antrag, ein von der Bezirkshauptmannschaft Landeck im März 2024 verhängtes Platzverbot auf der Idalpe in Ischgl als gesetzwidrig aufzuheben. Die entsprechende Verordnung der BH Landeck bezog sich auf durch Gitter abgesperrte Bereiche auf dem Areal, wo im April 2024 das „Top of the Mountain Spring Concert“ mit Andreas Gabalier stattfand.
Grundlage des Antrags an den VfGH ist eine Verwaltungsstrafe, die über einen Mann verhängt wurde, weil er während des Konzerts über Absperrgitter auf die Bühne kletterte, wo er ein Protestbanner entfalten wollte.
Das LVwG hat das Bedenken, dass die Platzverbotsverordnung nicht die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 36 Sicherheitspolizeigesetz erfülle. Nach dieser Bestimmung kann ein Platzverbot nur dann verhängt werden, wenn „auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen“ ist, „es werde an einem bestimmten Ort eine allgemeine Gefahr für Leben oder Gesundheit mehrerer Menschen oder für Eigentum oder Umwelt in großem Ausmaß entstehen“. Derartige Tatsachen seien im März 2024 jedoch nicht vorgelegen.
(V 119/2024)
Auswirkungen des Konsumentenschutzgesetzes auf Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen
Ein Immobilienunternehmen hat beim VfGH beantragt, eine Bestimmung des Konsumentenschutzgesetzes (KSchG) über Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen als verfassungswidrig aufzuheben.
Das Unternehmen ist Vermieter einer Wohnung in Wien, deren Mieter die Rückzahlung eines Teils der Miete verlangt und vor einem Bezirksgericht recht bekommen hat. Der Mieter hatte argumentiert, er habe aufgrund einer Wertsicherungsklausel im Mietvertrag, die aber unwirksam sei, zu viel Miete bezahlt. Er berief sich dabei auf das Konsumentenschutzgesetz (§ 6 Abs. 2 Z 4 KSchG): Demnach sind Wertsicherungsklauseln in Verträgen (für Leistungen, die innerhalb von zwei Monaten ab Vertragsabschluss zu erbringen sind) unwirksam, es sei denn, der Unternehmer beweist, dass diese Klausel im einzelnen ausverhandelt wurde. Diese Bestimmung aus dem Konsumentenschutzgesetz gilt unter bestimmten Voraussetzungen laut jüngster Judikatur des Obersten Gerichtshofes (OGH) auch für Dauerschuldverhältnisse wie Mietverträge und nicht nur Zielschuldverhältnisse (z.B. einen bestimmten Kauf).
Die Bestimmung im KSchG führe, so das Unternehmen, bei Mietverträgen zu dem Ergebnis, dass der Vermieter den Hauptmietzins nicht anpassen darf, auch weiter an den Mietvertrag gebunden ist und diesen auch nicht kündigen darf. Dafür gebe es keine sachliche Rechtfertigung.
(G 170/2024)
Asylrechtssachen
Auf der Tagesordnung des VfGH stehen auch rund 150 Beschwerden in Asylrechtssachen. So sind Beschwerden afghanischer Staatsangehöriger anhängig, deren Asylantrag abgelehnt wurde: sei es, weil sie bereits in Griechenland internationalen Schutz erhalten haben, oder weil sie sich nach der Gewährung von Asyl zwischenzeitig in Afghanistan aufgehalten haben.
Sie bekämpfen die Ablehnung ihrer Anträge mit der Begründung, dass sie im Fall einer Rückkehr nach Griechenland auf Grund ihres Gesundheitszustands bzw. einer Rückkehr nach Afghanistan der realen Gefahr einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wären.
Der VfGH wird außer diesen Fällen über rund 150 weitere Beschwerden in Asylrechtssachen beraten.
(E 90/2025, E 244/2025)
Öffentliche Verhandlung und weitere Fälle
Am Freitag, 13. Juni, führt der VfGH eine öffentliche Verhandlung zum Verbot des „Social Egg Freezing“ durch. Genaueres dazu finden Sie über diesen Link.
Weiters nimmt der VfGH seine Beratungen u.a. über einen Antrag betreffend das Steirische Jugendschutzgesetz wieder auf (G 152/2024).
Steht ein Fall auf der Tagesordnung, bedeutet dies nicht automatisch, dass darüber in diesen Tagen entschieden wird. Nach Ende der Beratungen werden die Entscheidungen des VfGH den Verfahrensparteien zugestellt. Erst danach wird der VfGH darüber informieren.